Cugel der Schlaue
Schandeck. »Mein Spähen wäre sinnvoller, wenn ich wüßte, wonach ich Ausschau halten soll.«
»Sucht nach feindlichen Nomaden, vor allem solchen im Hinterhalt.«
»Ich sehe nichts dergleichen, nur Hügel und Öde. In einiger Entfernung erstreckt sich allerdings als dunkler Strich ein Wald oder auch ein Fluß mit Uferbäumen.«
»Sehr gut, Cugel. Haltet weiterhin Ausschau.«
Der Tag verging, und die dunklen Bäume schienen vor ihnen zurückzuweichen. Bei Sonnenuntergang ließ Varmous das Lager auf einer freien, sandigen Fläche aufschlagen.
Wie üblich wurde ein großes Feuer gemacht, doch das Verschwinden Ivanellos bedrückte alle, und obgleich Varmous auch diesmal Wein einschenken ließ, kam keine heitere Stimmung auf, und man unterhielt sich gedämpften Tones.
Auch heute stellte Varmous den Schutzzaun auf und wandte sich an alle: »Das Rätsel ist weiterhin ungelöst! Da es keinerlei Anhaltspunkte gibt, kann ich nur zu äußerster Vorsicht raten. Und kommt dem Zaun auf keinen Fall zu nahe!«
Die Nacht verging ohne Zwischenfall. Am Morgen brach die Karawane erneut früh auf, und Cugel machte den Ausguck an Bord des Schiffes.
Im Lauf des Tages verlor das Land etwas seiner unfruchtbaren Dürre. Nun war auch zu erkennen, daß die Bäume einem Fluß folgten, der von den Bergen kam und sich in die Öde vorwagte.
Am Ufer angekommen, bog der Weg scharf nach Süden ab und den Fluß entlang zu einer steinernen Brücke mit fünf Pfeilern. Hier ließ Varmous die Karawane anhalten und gestattete den Fuhrleuten, ihre Farlocks zu tränken. Cugel befahl seinem Seil, sich zusammenzuziehen und senkte so die Avventura auf den Boden. Die Vorzugspassagiere gingen von Bord, um sich die Beine zu vertreten.
Am Zugang zur Brücke stand ein zehn Fuß hohes Monument mit einer Bronzetafel. Cugel konnte die Schrift darauf nicht lesen. Gaulph Rabi stieß seine lange Nase vor, wandte sich dann jedoch schulterzuckend ab. Doktor Lalanke seinerseits erklärte, die Schrift sei eine Abart des Sarsounianischen – ein weitverbreiteter Dialekt des neunzehnten Äons, der über viertausend Jahre allgemein gebraucht wurde.
»Es ist nichts weiter als eine Dank- und Hinweistafel«, sagte Doktor Lalanke. »Ich lese sie euch vor:
REISENDE, DIE IHR NUN TROCKENEN FUSSES
DEN WILD TOSENDEN SYK ÜBERQUEREN KÖNNT,
LASST EUCH SAGEN, DASS IHR DIES DER GÜTE
KHAIVES VERDANKT, DER HERRSCHER VON KHARAD
IST UND HÜTER DES UNIVERSUMS
Wie wir sehen, tost der Fluß jedoch nicht mehr wild, trotzdem sollten wir die Großzügigkeit König Khaives würdigen, ja, es ist ratsam, es zu tun.« Doktor Lalanke machte eine Kniebeuge vor dem Denkmal.
»Aberglaube!« sagte Gaulph Rabi abfällig. »Wir vom Kollegium schenken unsere Ehrfurcht nur der Namenlosen Synkrise im Herzen der Nabe.«
»Das mag schon sein«, brummte Doktor Lalanke gleichmütig und entfernte sich. Cugel blickte von Gaulph Rabi zu Doktor Lalanke, dann machte auch er eine schnelle Kniebeuge vor dem Monument.
»Was?« rief der hagere Prediger. »Auch Ihr, Cugel? Ich hielt Euch für einen Mann von Urteilsvermögen!«
»Genau deshalb erwies ich dem Denkmal die Ehre. Ich urteilte, daß diese kleine Geste niemandem schadet und nichts kostet.«
Varmous rieb sich zweifelnd die Nase, dann verbeugte er sich, zur sichtlichen Verärgerung Gaulph Rabis, tief vor dem Monument.
Die Farlocks wurden wieder eingespannt; Cugel ließ die Avventura aufsteigen, und die Karawane überquerte die Brücke.
Am Nachmittag wurde Cugel müde. Er legte den Kopf auf die Arme und nickte ein ... Die Zeit verging, bis die unbequeme Haltung ihn weckte. Blinzelnd und gähnend schaute er sich um und bemerkte verstohlene Bewegung hinter einem Dickicht von Rauchbeerbüschen, die die Straße einsäumten. Cugel beugte sich über die Reling und entdeckte etwa zwei Dutzend stämmige, dunkelhäutige Männer, die Pluderhosen, schmutzige Wämser verschiedener Farben und schwarze Kopftücher trugen. Sie waren mit Speeren und Streithaken bewaffnet und hatten es zweifellos auf die Karawane abgesehen.
So brüllte er zu Varmous hinunter. »Haltet an! Zu den Waffen! Banditen lauern hinter jenem Dickicht!«
Varmous ließ die Karawane anhalten und stieß ins Horn. Die Fuhrleute griffen nach den Waffen, genau wie viele Fahrgäste, und bereiteten sich auf einen Angriff vor. Cugel senkte das Schiff, damit auch die Vorzugspassagiere am Kampf teilnehmen konnten.
Varmous rannte zum Schiff. »Wo genau ist der Hinterhalt? Wie viele lauern
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