Cugel der Schlaue
Notdurft nachgeht, gewinnt.«
»Nicht schlecht«, lobte Cugel. »Habt Ihr Eure Wahl schon getroffen?«
»Ja. Und Ihr?«
»Ich wählte meinen sofort. Ich halte ihn für unschlagbar in einem Wettbewerb dieser Art. Es ist der schon etwas ältliche Herr mit der spitzen Nase und dem verkniffenen Mund, unmittelbar links von mir. Er ist nicht groß, aber die Sparsamkeit, die er bei seinen Schlucken walten läßt, verleiht mir Zuversicht.«
»Hm, keine schlechte Wahl«, gab Bunderwal zu. »Zufällig fiel meine Wahl auf seinen Begleiter, den Herrn im grauen Umhang, der mißmutig an seinem Bier nippt.«
Cugel winkte einen Schankburschen herbei und fragte hinter vorgehaltener Hand, so daß Bunderwal es nicht hören konnte: »Weshalb lassen die beiden Herren links von mir sich soviel Zeit beim Trinken?«
Der Bursche zuckte die Schulter. »Wenn Ihr die Wahrheit wissen wollt: Sie trennen sich nicht gern von ihrem Geld, obgleich beide mehr als wohlhabend sind. So sitzen sie den ganzen Abend bei einem einzigen Krug unseres billigsten Gebräus.«
»In diesem Fall«, meinte Cugel, »bring dem Herrn im grauen Umhang einen großen Krug eures besten Bieres auf meine Rechnung, doch sagt nicht, daß ich es bestellte.«
»Wie Ihr wünscht, Herr.«
Auf einen Wink Bunderwals wandte der Schankbursche sich ihm zu, und auch Bunderwal murmelte ihm etwas zu. Der Bursche verbeugte sich knapp und rannte die Treppe hinunter. Bald darauf kehrte er mit zwei Riesenkrügen zurück, die er den beiden Erwählten vorsetzte. Nachdem der Bursche ihnen eine längere Erklärung abgegeben hatte, nahmen sie das spendierte Bier an, waren jedoch offensichtlich überrascht.
Cugel gefiel die Gier gar nicht, mit der sein Mann nun trank. »Ich fürchte, ich traf eine schlechte Wahl«, klagte er. »Der Kerl säuft, als käme er gerade nach mehreren Tagen aus der Wüste zurück!«
Auch Bunderwal war mit seinem Mann unzufrieden. »Er steckt mit seiner Nase bereits tief im Krug. Ich muß schon sagen, Cugel, Euer Trick war gemein. Es blieb mir nichts übrig, als tief in den Beutel zu greifen, um es Euch nachzutun.«
Cugel dachte, er könnte seinen Mann vielleicht durch ein Gespräch vom Bier ablenken. So beugte er sich vor und sagte: »Seid Ihr in Saskervoy zu Hause, mein Herr?«
»Das bin ich«, bestätigte der Spitznasige, »und wir aus Saskervoy sind dafür bekannt, daß wir Fremden in seltsamer Gewandung Mißtrauen entgegenbringen.«
»Ihr seid auch für eure Mäßigkeit bekannt«, sagte Cugel, um das Gespräch nicht abbrechen zu lassen.
»Welch Unsinn!« rief der feine Herr. »Seht Euch doch nur die Gäste hier an: Alle trinken einen Krug nach dem andern. Entschuldigt mich, ich muß es ihnen gleichtun.«
»Laßt Euch warnen, das hiesige Bier ist nicht unschädlich. Mit jedem Schluck setzt Ihr Euch der Gefahr einer Erkrankung aus.«
»Unsinn! Bier reinigt das Blut! Hört Ihr zu trinken auf, wenn Ihr Angst habt, aber laßt mich in Ruhe!« Erneut hob der Spitznasige den Krug an die Lippen und nahm einen tiefen Schluck.
Verärgert über Cugels Versuch, wollte nun Bunderwal seinen Mann ablenken, indem er ihm auf die Zehen trat. Die Streitigkeiten, zu denen es dadurch gekommen wäre, hätten bestimmt eine ordentliche Weile beansprucht. Aber Cugel war geistesgegenwärtig und zog Bunderwal auf seinen Stuhl zurück. »Spielt das Spiel nach sportlichen Regeln, oder ich ziehe mich von diesem Wettbewerb zurück!«
»Eure Taktik war auch nicht gerade den Regeln entsprechend«, empörte sich Bunderwal.
»Nun denn«, sagte Cugel, »so wollen wir nicht mehr in den Lauf der Dinge eingreifen.«
»Einverstanden, aber das wäre ohnehin nicht mehr nötig, da Euer Mann schon Zeichen der Unruhe verrät. Er wird sich wohl gleich erheben, in welchem Fall ich gewinne!«
»Nicht doch! Wessen Mann als erster durch die Tür geht, hat verloren! Seht doch, Eurer steht bereits auf. Sie gehen beide gleichzeitig.«
»Dann zählt jener, der die Gaststube als erster verläßt, denn zweifellos wird er auch der erste sein, der sich erleichtert.«
»Nein, nicht so. Wessen Mann tatsächlich als erster seine Notdurft verrichtet, ist der Verlierer.«
»So kommt. Von hier aus läßt sich das nicht feststellen.«
Cugel und Bunderwal beeilten sich, ihren Erwählten zu folgen. Sie kamen auf den Hinterhof und zu einem beleuchteten Anbau, wo ein an der Wand befestigter Trog für die Bedürfnisse der männlichen Gäste zur Verfügung stand.
Die beiden Erwählten schienen in keiner großen
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