Cugel der Schlaue
Steuer- als auch Backbord verliefen. Wozu sie wohl dienten? Cugel ging ein paar Schritte den Kai entlang, um diesen merkwürdigen Anbau besser betrachten zu können. Sollte es sich da etwa gar um ein Promenadendeck für die Passagiere handeln? Aber dazu erschienen sie ihm doch zu schmal, zu wacklig und allzusehr Gischt und Wellengang ausgesetzt zu sein. Oder waren es Plattformen, von denen aus Passagiere und Besatzung mühelos baden und ihre Wäsche waschen konnten, während das Schiff in stillen Gewässern lag? Oder Stege, um die Hülle auszubessern, falls es erforderlich war?
Cugel schob diesen Gedanken beiseite. Solange die Galante ihn in aller Bequemlichkeit nach Port Perdusz brachte, wollte er sich doch über Einzelheiten nicht den Kopf zerbrechen. Viel wichtiger war, jetzt etwas über seine Pflichten als »Wurminger« zu erfahren: ein Beruf, von dem er bisher noch nie etwas gehört hatte.
Wagmund, den bisherigen Wurminger, plagte sein verletzter Fuß, und er hatte sich geweigert, Cugel zu helfen. Barsch hatte er zu ihm gesagt: »Alles der Reihe nach! Begib dich erst mal aufs Schiff, kümmere dich um deine Koje und verstau dein Zeug. Kapitän Baunt ist ein strenger, ordnungsliebender Mann, der nicht duldet, daß irgend etwas herumliegt. Wenn du damit fertig bist, dann geh zu Drofo, er ist der Oberwurminger. Laß dich von ihm einweisen. Du hast Glück, daß die Würmer in bester Verfassung sind.«
Die Kleider auf seinem Leib waren Cugels einziges »Zeug«, allerdings hatte er in seinem Gürtelbeutel noch etwas von großem Wert: Das »Brusthimmelsbruch Sprühlicht« aus dem Oberkörper des Oberdämons Sadlark. Während Cugel so am Kai stand, dachte er sich aus, wie er das »Sprühlicht« am besten vor Diebstahl schützen konnte.
Hinter einem Kistenstapel nahm er seinen vornehmen dreikrempigen Hut ab und entfernte die etwas arg protzige Spange, welche die unterste Krempe an der Seite hochhielt. Dann befestigte er die Schuppe ganz vorsichtig, damit sie seine Finger nicht verätze, mit feinem Draht an Stelle der Spange an der Krempe, wo sie nunmehr auch nicht ausgefallener als andere Hutklammern aussah. Die eigentliche Spange steckte er in seinen Beutel.
Dann kehrte er am Kai entlang zur Galante zurück. Er kletterte die Gangway hoch und ging zum Mitteldeck. Rechts befand sich das Achterkastell und ein Niedergang zum Hüttendeck. Vorn, im breiten Bug, war die Vorpiek mit der Kombüse und der anschließenden Mannschaftsmesse, und darunter die Kajüte. Cugel konnte drei Personen sehen. Die erste war der Koch, der gerade aus der Kombüse gekommen war, um über die Reling zu spucken. Die zweite war ein großer hagerer Mann mit dem langen, bleichen Gesicht eines schwermütigen Poeten. Er lehnte an der Reling und starrte tiefsinnig ins Wasser. Er hatte einen dünnen, strähnigen Bart von der Farbe dunklen Mahagonis, und ein schwarzes Tuch hielt die dunkelroten Haare zusammen. Die knorrigen weißen Hände umklammerten die Reling, und er warf nicht einen Blick in Cugels Richtung.
Die dritte war ebenfalls ein Mann. Er leerte einen Kübel über die Reling. Sein dickes weißes Haar war im Bürstenschnitt, sein Mund kaum mehr als ein Strich in dem roten, eckigen Gesicht. Das mußte der Steward sein, aber Cugel fand, daß er mit seiner mürrischen Miene und der herausfordernden Haltung dafür wenig geeignet war.
Von den dreien gönnte nur er Cugel Beachtung. Er rief scharf: »He, du schräger Vogel! Verschwinde! Wir brauchen weder Salben, Talismane, Gebete noch Liebestrünke!«
Kalt erwiderte Cugel: »Du würdest gut daran tun, deinen Ton zu ändern. Ich bin Cugel und auf ausdrückliche Einladung Soldincks hier! Du darfst mir meine Kabine zeigen – aber mit höflicher Manier!«
Der Mann seufzte tief, als wäre seine Geduld, obwohl schier unerschöpflich, arg auf die Probe gestellt. Er rief einen Niedergang hinab: »Bork! An Deck!«
Ein kleiner fetter Mann mit rotem Vollmondgesicht eilte herauf. »Jawohl, Herr. Was befehlt Ihr?«
»Führ diesen Burschen zu seiner Kabine. Er behauptet, er sei Soldincks Gast. Seinen Namen habe ich nicht richtig verstanden: Fugel oder Kungel oder so was.«
Verwirrt kratzte Bork sich die Nase. »Man hat mir nichts von ihm gesagt. Mit Meister Soldinck und seiner ganzen Familie an Bord, wo soll ich ihn da noch unterbringen? Außer, natürlich, Ihr tretet diesem Herrn Eure eigene Kabine ab und schlüpft bei Drofo unter.«
»Das gefällt mir gar nicht!«
Jammernd sagte Bork: »Habt Ihr
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