Cugel der Schlaue
Treppe hoch und öffnete eine Tür. »Eine gemütliche kleine Kammer, wo Ihr gut schlafen werdet.«
Cugel wich zurück. »Sie hat keine Fenster! Hier würde ich ersticken.«
»Oh? Nun gut, dann zeige ich Euch eine andere ... Was ist mit dieser? Das Bett ist besonders weich.«
»Was soll dieses schwere Eisengitter über dem Bett?« fragte Cugel. »Was ist, wenn es während der Nacht herabfällt?«
»Cugel, das ist reine Schwarzseherei! Ihr müßt immer die schönen Dinge des Lebens sehen! Habt Ihr beispielsweise die Vase mit den hübschen Blumen neben dem Bett bemerkt?«
»Wie schön! Zeigt mir ein anderes Schlafgemach!«
»Schlaf ist Schlaf«, sagte Faucelme nun verdrießlich. »Seid Ihr immer so schwer zufriedenzustellen? Nun denn, wie findet Ihr dieses entzückende Gemach? Das Bett ist gut, die Fenster sind breit. Ich kann nur hoffen, daß Ihr keinen Schwindel von der Höhe bekommt.«
»Es ist annehmbar«, sagte Cugel. »Faucelme, ich wünsche Euch eine angenehme Nacht.«
Faucelme stapfte den Korridor zurück. Cugel schloß die Tür und öffnete ein Fenster. Vor dem Hintergrund der Sterne konnte er hohe, schmale Schornsteine und eine einzelne Zypresse über das Haus hinwegragen sehen.
Cugel band ein Ende seines Seiles an einen Bettpfosten, dann trat er das Bett, woraufhin es sich sofort von der Schwerkraft abgestoßen fühlte und sich in die Luft erhob. Cugel lehnte es zum Fenster, schob es hindurch und hinaus in die Nacht. Er löschte die Lampe, kletterte auf das Bett und stieß es fort vom Haus zu der Zypresse, an die er das andere Seilende band. Er erteilte den Befehl: »Seil, strecke dich!«
Das Seil dehnte sich und Cugel schwebte hoch in die Nacht. Das Haus war unten als unregelmäßige Masse zu sehen, schwärzer als schwarz, mit gelben Rechtecken: die Fenster der beleuchteten Räume.
Cugel ließ das Seil sich dreihundert Fuß ausdehnen, ehe er ihm befahl: »Seil, streck dich nicht weiter.«
Mit einem sanften Ruck hielt das Bett an. Cugel machte es sich bequem und beobachtete das Haus.
Eine halbe Stunde verging. Das Bett schaukelte leicht unter dem wechselnden Nachtwind, und Cugel wurde unter den Eiderdaunen schläfrig. Seine Lider fielen zu ... Da drang ein grelles Licht aus den Fenstern des Gemachs, aus dem er das Bett mitgenommen hatte. Blinzelnd setzte Cugel sich auf und sah eine leuchtende Gaswolke aus dem offenen Fenster quellen.
Dann wurde es wieder dunkel in dem Gemach. Einen Moment später flackerte das Licht einer Lampe im Fenster, und Faucelmes kantige Gestalt mit den Ellbogen abgewinkelt, hob sich schwarz ab, als er in die Nacht hinaus, nach dieser und jener Seite schaute.
Schließlich zog er sich zurück und hinter dem Fenster wurde es erneut dunkel.
Cugel fühlte sich in dieser Nähe des Hauses unbehaglich, so sagte er zu dem Seil: »Tzat!«
Das Seil löste sich von der Zypresse.
»Seil, zieh dich jetzt zusammen!« befahl er.
Da nahm es wieder seine übliche Länge von zehn Fuß an.
Cugel schaute zu dem Haus zurück. »Faucelme, was auch immer deine Taten oder Untaten, ich bin dir dankbar für dieses Seil und auch das Bett, obgleich ich aus Furcht im Freien darin schlafen muß.«
Er blickte über die Bettkante und sah im Sternenlicht als schwach schimmerndes Band die Straße. Die Luft war nun völlig still, und er trieb, wenn überhaupt, westwärts.
Nachdem er seinen Hut über einen Bettpfosten gehängt hatte, streckte er sich aus, zog die Eiderdaunendecke über den Kopf und schlief.
Die Nacht verging. Sterne wanderten über das Firmament. Aus dem Ödland erklang der schwermütige Ruf eines Vispen: einmal, zweimal, dann herrschte Schweigen.
Cugel erwachte bei Sonnenaufgang und konnte sich in seiner Schlaftrunkenheit eine ganze Weile nicht erklären, wo er sich befand. Er machte sich daran, ein Bein aus dem Bett zu schwingen, hielt jedoch erschrocken an.
Ein Schatten flatterte vor die Sonne, und bald darauf stieß etwas Gewaltiges, Dunkles herab und ließ sich am Fußende von Cugels Bett nieder: ein Pelgran mittleren Alters, nach dem seidigen Grauhaar auf seinem Kugelbauch zu schließen. Sein zwei Fuß langer Kopf war aus schwarzem Horn, wie der eines Hirschkäfers, und weiße Hauer schwangen sich zu beiden Seiten der Schnauze nach oben. Auf dem Bett kauernd betrachtete er Cugel sowohl hungrig wie belustigt.
»Heute frühstücke ich im Bett«, erklärte der Pelgran. »Selten werde ich so verwöhnt!«
Er langte nach Cugels Fußgelenk, das dieser jedoch eilig zurückzog.
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