Cum Book (German Edition)
überwältigendes Verlangen
erfüllen mein Herz.
Die grünen Augen blicken mich an, scheinen mich jedoch nicht
wahrzunehmen. Entrückt. Der Mann ist einer anderen Welt nahe, in die ihm
niemand folgen kann.
Ich sehe, wie sich der Leib krümmt, nur von den Ketten
gehalten. Der Schrei aus den wunderschönen, jetzt vor Schmerz verzerrten
Lippen, dringt kaum in mein Bewusstsein. Das Blut rauscht in meinen Adern,
dröhnt mir in den Ohren. Den Halt der Fesseln könnte ich selbst gebrauchen. Ich
kann mich kaum mehr auf den Beinen halten.
Eine lange, gedrehte Peitsche schlingt sich um den sich
aufbäumenden Leib, hinterlässt einen schmalen, roten Streifen auf der
makellosen Haut. Zwei. Drei. Vier.
So viel Leid.
Stille.
Atem holen.
Leises Schluchzen.
Tränen bedecken das Gesicht des Dunkelhaarigen. Feucht
kleben ein paar Strähnen auf seinen Wangen. Der Mund ist geöffnet, die Lippen
beben. Sein Geist ist nicht mehr hier. Der verschleierte Blick spricht vom
Nirwana. Nur fühlen. Kein äußerer Einfluss mehr. Frieden.
Er ist frei!
Ich lecke über meine trocknen Lippen. Als würde ich aus
einem Schlaf erwachen, spüre ich plötzlich meinen eigenen Körper überdeutlich.
Schweiß bedeckt meine Haut, beginnt unter dem Leder, welches ich trage,
unangenehm zu kribbeln. Meine Hände sind ebenfalls feucht. Immer wieder
schließe ich sie zu Fäusten. Kämpfe gegen mich. Ich habe das zwingende
Bedürfnis, den gepeinigten Mann in die Arme zu schließen, im Halt zu geben.
Völlig absurd. Dieser Wunsch steht mir in keiner Weise zu.
Es ist auch nicht nötig.
Ein sanftes Lächeln bildet sich auf seinen Lippen. Er lässt
den Kopf in den Nacken sinken und stößt ein Seufzen aus. Noch nie habe ich
einen solchen Ton gehört. Er kündet von Freiheit, Dankbarkeit und tiefster
Zuneigung.
Ich spüre ein Schmunzeln um meinen Mund und Erleichterung in
meinem Herzen. Zufrieden weide ich mich an dem Anblick vor mir. Die roten
Linien winden sich um Bauch und Brust, zieren den ohnehin perfekten Körper. Ein
vergänglicher Schmuck, von Leid, Schmerz und Hingabe zeugend.
Keine Galerie der Welt, kein Museum, in keiner Ausstellung
wird man je etwas so Schönes erblicken wie ich in diesem Moment. Die beiden
sind wie Feuer und Wasser, ein dunkler und ein blonder Engel.
Die Hände des Masters streichen von hinten über den Bauch
seines willigen Opfers. Finger flattern Schmetterlingsflügeln gleich über die
geschundene Haut. Sanftes Stöhnen dringt an mein Ohr. Es kündet von
grenzenloser Lust und Begehren.
Bis jetzt konnte ich mich zurückhalten, doch mein Blick
wandert bei diesem lüsternen Laut unweigerlich nach unten. Der Schwanz des
Mannes tropft vor Verlangen.
Ich habe in seine Seele geblickt, sein Innerstes vor Augen
gehabt, aber dieser Anblick lässt Schamesröte in mir aufsteigen. Abrupt wende
ich mich ab, hebe den Blick und treffe den des Masters. Nein, kein Master mehr
– nur der blonde Mann. Er lächelt mich über die Schulter seines Geliebten
hinweg an.
Liest er in meinen Augen was ich alles gesehen habe? Ob er
weiß, was für ein wundervolles Geschenk es für mich war, daran teilhaben zu
dürfen?
Ja, er weiß es. Er sieht mich an, als er einen Kuss auf die
bloße Schulter setzt. Ich sehe nicht, was seine Hände tun, und ich will es auch
nicht. Es ist nicht so, dass ich prüde bin. Im Gegenteil. Ich würde ihre
Vereinigung gern sehen, doch es erscheint mir nicht richtig. Hierbei habe ich
nichts mehr verloren. Dieser Augenblick ist der schier grenzenlosen Liebe der
beiden vorbehalten.
Ich nicke ihm zu, hoffe, dass meine Dankbarkeit in meinen
Augen ebenso zu lesen ist, und lächle.
Ich drehe mich um und erstarre. Fassungslos sehe ich die
vielen Menschen hinter mir. Keinen davon habe ich bemerkt.
Sie glotzen, grinsen, feixen lüstern. Schlüpfrige
Bemerkungen dringen zu mir durch, zerstören die Erhabenheit, die ich gerade
erleben durfte. Hände liegen auf nackten Schwänzen oder vergraben sich zwischen
den Schenkeln einer Frau.
Ich bin entsetzt.
Sie sind allesamt blind, haben nicht einen Moment die
Schönheit dieser Hingabe gesehen. Nur Gier und Geilheit.
Sie entweihen alles.
Mir wird schlecht. Mit taumelnden Schritten bahne ich mir
einen Weg durch die Menge.
Tränen verschleiern meinen Blick.
Session
Meine Antwort auf Kat
Marcuses ‚Leid und Liebe‘
Mein Herr hat mich in der von ihm bevorzugten Stellung in
diesem Raum zurückgelassen. Fixiert zwischen Balken, stehe ich mit überdehnten
Gliedern da.
Seine
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