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Curia

Curia

Titel: Curia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar Caplan
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wird von mir bleiben, außer vielleicht diesem Papyrus.
    Wir Ägypter glauben, dass es die schlimmste aller Strafen ist, wenn man nach dem Tod von den Lebenden vergessen wird. Denn das Vergessen verurteilt unser ka , ewig im Duat umherzuirren. Ich aber weiß, dass ich nicht vergessen sein werde, weil ich in allen Menschen, die nach mir kommen, weiterleben werde, so wie ich in allen gelebt habe, die mir vorausgingen. Denn wir sind alle Teil derselben Größten Wirklichkeit, einer Wirklichkeit ohne Zeit und Raum.
    Das Tropfen der Wasseruhr jagt der Stille hinterher.
    Die zehnte Stunde der Nacht geht zu Ende. Das Maß Zeit, das mir gewährt wurde, geht zur Neige. Schon färben die ersten Lichter der Morgendämmerung die Wasser des Nils grau. Noch bevor Aton auf die Hügel fällt, wird mein ka vielleicht schon in das Land des Westens fliegen.
    Vor meinen Augen sehe ich mein ganzes Leben vorüberziehen. Wenn die Stunde kommt, werde ich leichten Herzens die Negativen Bekenntnisse sprechen, aber das wird nicht genügen, denn dann wird Thoth mich fragen: »Hast du Freude empfunden? Hast du Freude bereitet?« Denn die Freude und die Liebe zum Mitmenschen sind einander verschwistert. Auf den einen Teller der Waage wird Thoth die Feder Maats legen, und er wird mein Herz über den anderen halten, während er auf meine Antwort wartet. Und hinter seinem Rücken wird sich der Schatten des Nilpferdes abzeichnen.
    Denn kein Mensch ist der einsame Urhügel im Morgengrauen des ersten Tages des Zep Tepi , jeder von uns ist Teil aller anderen, und wir alle tragen dasselbe Bündel Leiden in uns. Erst wenn wir vor den Tunnel des Großen Lichts gelangen und unser ka sich anschickt, in das Land des Westens zu fliegen, wird uns diese Einheit bewusst. In diesem Moment sehnen wir uns danach zurückzukehren, jeden verlorenen Augenblick wiederzugewinnen und mitfühlend mit anderen und mit uns selbst zu sein. Aber dann ist es zu spät. Kein Sterblicher ist je zurückgekehrt. Dir, der du dies liest, sage ich: Am Ort der verborgenen Dinge, in der Nacht des Lichterfestes, sah ich das Licht Maats, und ich erkannte, dass Mitgefühl die Leuchte der Welt ist.
    Dieses schreibe ich, Echnaton, am Ende meines Lebens.

    »Nun?«, fragte Carnegy. »Was sagst du dazu?«
    »Wenn ich nicht wüsste, dass er es geschrieben hat, würde ich an Buddha denken. Aber der lebte siebenhundert Jahre später.«
    »Ein großzügiger Kommentar. Mir fällt dazu ein mit LSD vollgestopfter Hippie ein.«
    Théo machte eine abwehrende Geste. »Das Gegenteil ist wahr.«
    »Oh, ihr arroganten Franzosen!« Carnegy schnaubte, sein Gesicht rötete sich. »Na, dann lass mal hören. Was hast du verstanden, Monsieur Bonaparte?«
    Théo sah auf die Fotos an den Wänden. Sein erster Impuls war, Carnegy mit einer barschen Antwort abzufertigen, dann fiel sein Blick wieder auf den Papyrus: Mitgefühl ist die Leuchte der Welt .
    »Die Erklärung liegt im Weißen Brot.«
    »Weißes Brot? Das habe ich oft auf Inschriften gelesen, aber nie besonders wichtig genommen.«
    »Eine lange Geschichte. Bekomme ich einen Whisky?«
    Zwischen zwei Gläsern Balvenie Single Barrel erzählte Théo, was er erzählen konnte, wobei er sich auf die Archäologie konzentrierte.
    »Wenn jemand anderes mir das erzählt hätte, hätte ich es für die Prahlerei eines Hobbyarchäologen gehalten.« Carnegy setzte eine feierliche Miene auf. »Ich habe in Eaton studiert, und ich habe einen Ehrenkodex. Ich vergebe dir, dass du ein Franzose bist, und muss fairerweise anerkennen, dass das, was du mir da erzählt hast, das Interessanteste ist, was ich in dreißig verdammten Berufsjahren gehört habe.«
    »Duncan, mir kommt eine Idee. Ich hatte vor, darüber einen Artikel für ›Archaeology Today‹ zu schreiben. Was würdest du sagen, wenn wir ihn zusammen schreiben und auch Echnatons Papyrus einbeziehen?«
    »Das ist unglaublich großzügig von dir, wirklich.« Carnegy ging zum Schreibtisch und kehrte mit einer englischen Übersetzung des Papyrus zurück, die er Théo reichte. »Ich glaube allerdings nicht, dass ich dir von großem Nutzen sein kann.«
    »Warum so bescheiden? Ich habe im ›American Journal of Archaeology‹ deine letzte Arbeit über das Grab Setis I. gelesen. Etwas so Fachkundiges ist mir noch nie untergekommen.«
    »Ist das dein Ernst?« Carnegy wurde rot vor Freude. »Verdammt, jetzt bereue ich die Gemeinheiten, die ich gesagt habe.«
    Théo dachte an die Negativen Bekenntnisse und sandte ein Stoßgebet mit

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