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Curia

Curia

Titel: Curia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar Caplan
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Sie kommen, werde ich da sein und Sie erwarten.«
    Er wählte Cleas Nummer auf Kos.
    »Und darum brauche ich jetzt eine Verwaltungsleiterin«, sagte er zum Abschluss. »Eine Rolle wie für dich geschaffen.«
    »Ach ja? Moment, ich suche noch nach einer passenden Antwort. Weißt du, dass du mich an deinen Großvater Nicky erinnerst? Einer verrückter als der andere.«
    »Verrücktheit ist in einer Welt wie dieser die einzige Freiheit, die uns geblieben ist.«
    »Muss ich sofort anfangen, oder gibst du mir die Zeit, nach Paris zurückzufliegen und meine Wohnung zu verkaufen?«
    Théo setzte sich an den Tisch, nahm ein Blatt Papier mit dem Briefkopf des Hotels und schrieb die Adresse des Louvre in die rechte obere Ecke. Nach dem Datum schrieb er: »Betrifft: Kündigung.«
    Als der Brief geschrieben war, goss er sich noch ein Glas ein, lehnte zwei Kissen an das Kopfende des Bettes, streckte sich aus und löschte das Licht. Er ließ die Taschenuhr aufspringen. Au clair de la lune, mon ami Pierrot, prête-moi ta plume, pour écrire un mot  …

 
    56    Zwischen Meer, Himmel und Land schwebend, zeichnete sich der Berg von Mont Saint-Michel vor der untergehenden Sonne ab.
    Raisa setzte sich auf die Terrasse der Vieille Auberge und bestellte einen Calvados. In Scharen trotteten die Touristen über das Kopfsteinpflaster der engen, von Souvenirläden gesäumten Gässchen zum Parkplatz hinunter. Wie immer leerte sich der Berg am Spätnachmittag. Raisas Blick wanderte an den Bollwerken zum Schutz vor der Flut und den Schieferdächern der kleinen Häuser hinauf bis zur Silhouette der Abtei, die den Berg überragte.
    Sie nippte an ihrem Calvados. Nach dem, was Dominici ihr in Deauville über Abhörsysteme gesagt hatte, versuchte sie, so wenig wie möglich zu telefonieren, auch aus öffentlichen Telefonzellen. Seit wie vielen Tagen hatte sie nicht mehr in ihrer Praxis angerufen?
    Sie musste an ihren letzten Anruf bei Dominici denken, und wieder packte sie die Angst, als sie im Geist die tonlose Stimme hörte, mit der jemand im Polizeipräsidium von Rom ihr mitgeteilt hatte, der Kommissar sei nach Triest versetzt worden. Dann war Dominicis Anruf auf ihrer Mailbox gewesen. Seine Stimme war die eines gebrochenen Mannes, eines anderen Menschen als in Deauville. Sosehr er auch versucht hatte, ihr Mut zu machen, der Ton seiner Stimme sagte alles. Sie war wieder allein.
    Wie lange würde sie sich noch zwischen diesen Bollwerken verstecken müssen? Sie zog die Michelin-Karte von Frankreich aus ihrer Tasche und faltete sie auf. Wohin? Der nächste Flughafen war Rennes, achtzig Kilometer entfernt. Ihr Blick wanderte an der Küste Südfrankreichs entlang und blieb bei Montpellier hängen. Ob Mayo einem seiner Kollegen von dem Pulver erzählt hatte? Sie hatte keine Anhaltspunkte, aber warum sollte sie es nicht versuchen? Noch blieben ihr fünf Gramm von dem Pulver. Wenn sie die A 11 nahm, konnte sie in zwei Stunden am Flughafen von Rennes sein. Ihre Hand umklammerte das Glas. Montpellier.
    Ein rauschhaftes Gefühl erfasste sie. Jetzt konnte sie telefonieren, mit wem sie wollte, denn in einer halben Stunde würde sie auf der Autobahn sein. Sie sah auf die Uhr. Arlène hatte die Praxis schon verlassen. Vielleicht war sie schon im Bistro ihrer Mutter angekommen. Raisa stellte das Handy an, überflog das Adressbuch und notierte die Nummer auf einer Serviette. Gerade wollte sie an das Münztelefon der Brasserie gehen, als ihr einfiel, dass sie ihre Mailbox seit heute Morgen nicht abgehört hatte. Ein Anruf von Théo … noch einer. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie hörte die beiden Anrufe ab, dann wählte sie seine Nummer. »Théo? Ich bin’s Raisa.«
    Nach dem Telefonat wanderte sie über das von Laternen beleuchtete Glacis, ohne etwas zu sehen. Die Welt drehte sich um sie herum, und sie drehte sich um die Welt, als säße sie auf einem Karussell. Auf dem Aussichtspunkt des Türmchens blieb sie stehen. Die Lichter der Strandpromenade warfen gelbe Streifen auf das Wasser der Bucht. Welchen Sinn hatten die großen Freuden des Lebens, wenn niemand da war, mit dem man sie teilen konnte? Sie legte ihre Arme um einen imaginären Tanzpartner und vollführte eine Walzerdrehung.
    Über der beleuchteten Kirchturmspitze thronte die vergoldete Statue des Erzengels Michael. Wieder kamen ihr Mayos Worte in den Sinn: »Dort oben hatte ich das Gefühl, nicht allein zu sein.«

    Ein Taxi hielt vor einem Haus aus roten Ziegelsteinen und cremefarbenem

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