Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Curia

Curia

Titel: Curia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar Caplan
Vom Netzwerk:
Seite, die zur Themse zeigte. Er trug einen Kapselgehörschutz, eine Schutzbrille und einen Mundschutz gegen den Staub. Er setzte den Presslufthammer auf die Granitwand.
    Nachdem er ein etwa zehn Zentimeter tiefes Loch gebohrt hatte, hielt er inne und wischte seine Brille ab. Dann griff er wieder nach dem Presslufthammer und schaltete ihn ein.
    Die Spitze traf auf einen Hohlraum.

    LONDON, BRITISH MUSEUM, SPÄTER NACHMITTAG
    In der Great Russel Street stieg Théo vor dem British Museum aus dem Taxi, lief die große Treppe hinauf und ging zwischen den Säulen der Vorhalle hindurch. Ein Wachmann erwartete ihn vor dem Eingang. Im Inneren ging er Théo voraus und führte ihn zum Konservator.
    »Setz dich«, sagte Carnegy, auf einen Sessel aus rissigem Leder weisend, in dessen Sitzfläche sich der Abdruck vieler Besucher eingeprägt hatte.
    An der Wand hingen zwischen dem Union Jack und einer Statue von Ramses dem Großen eine Reihe gerahmter Fotos mit Safariszenen. Eines zeigte den Konservator in der Savanne, im Safarianzug und mit Helm, das Gewehr auf die Nase eines Rhinozeros gestützt, das zu seinen Füßen lag.
    Carnegy musterte ihn hinter seinen runden Brillengläsern, während er die Fingerspitzen aneinanderschlug. Oberhalb der Ohren standen ihm Büschel grau melierter Haare vom Kopf, die ihm das Aussehen einer Eule verliehen.
    »Ein Mann voller Überraschungen, unser Théo St. Pierre, das muss man zugeben.« Er trommelte weiter mit den Fingern. »Wer weiß, wie du das rausgekriegt hast. Ich nehme an, es hat nicht das Geringste mit dem zu tun, was vor einem Monat bei Cleopatra’s Needle passiert ist, oder?«
    »Wir haben vereinbart, dass du keine Fragen stellst, erinnerst du dich? Also, was hast du gefunden?«
    Carnegy erhob sich und ging etwas von seinem Schreibtisch holen. Als er sich umdrehte, hielt er eine Kiste aus vergoldetem Holz und Elfenbeinintarsien in der Hand. Mit einstudiertem Gebaren stellte er sie vor Théo hin. Der Deckel war gewölbt und hatte einen Knauf aus blauer Keramik, in den eine goldene Sonnenscheibe mit Flügeln aus Lapislazuli eingefügt war. In die Längsseiten waren vergoldete Hieroglyphen geschnitzt, in horizontaler Anordnung auf Schriftrollen geschrieben, die von Uräusschlangen flankiert waren. Auf den ovalen Breitseiten stand der Name »Echnaton«. Die Kiste hatte Füße in Form von Sphinxen.
    Théo hob den Deckel. Eine Papyrusrolle. Am Rand des Blattes sah man noch den Abdruck eines Siegels aus rotem Harz, doch das Siegelzeichen war nicht mehr leserlich.
    »Du kannst ihn aufrollen«, sagte Carnegy. »Er ist perfekt konserviert. Kein Wunder, wenn man bedenkt, wo er versteckt war.«
    Vorsichtig breitete Théo den Papyrus auf dem Tisch aus.
    »Da du durch Granit sehen kannst, kannst du mir vielleicht auch erklären, was zum Teufel das bedeuten soll, was da geschrieben steht.«
    Théo zog eine Lampe zu sich heran.

    Ich, Echnaton, Sohn von Amenhotep III. und Tiye, schreibe dies im siebzehnten Jahr meiner Regentschaft, am fünften Tag des ersten Monats der Erntezeit.
    Es ist die neunte Stunde der Nacht. Horemheb und Ay haben Theben bereits verlassen. Sie kommen auf Achet-Aton zu, schon breitet sich der Lärm ihrer Wagen an den Ufern des Nils aus. Meine Zeit als Herrscher der Zwei Länder ist flüchtiger als das Fließen einer Wasseruhr.
    Ich schreibe nicht aus Eitelkeit, denn ich habe nie an die Eitelkeiten der Welt geglaubt. Auch schreibe ich nicht um des Ruhmes der Pharaonen willen, denn ich habe nie an ihre Heldentaten geglaubt. Mein Name wird von allen Monumenten der Zwei Länder getilgt werden, und die Nachwelt wird mich vergessen. Die Tempel von Achet-Aton werden zerstört werden, in seinen Häusern werden Schakale hausen, und was einst der Wüste gehörte, wird zur Wüste zurückkehren.
    Ich schreibe, weil meine Dynastie mit mir endet: Ich bin der Letzte derer, die in die Mysterien Thoths initiiert wurden. Ich breche meinen Eid und werfe mich vor Thoth nieder, dem Hüter der Zwei Wahrheiten. Ich hatte gelobt, keinem Profanen je zu enthüllen, was ich in der Nacht des Lichterfestes im Großen Phönix-Tempel sah. Warum breche ich diesen Eid? Weil ich an das Gute in den Menschen glaube. In einer Welt, wo das Böse zu brüllen scheint, höre ich weiterhin nur das Flüstern des Guten. Sind meine Ohren so taub? Ist mein Herz so einfältig? Ist meine Einsamkeit so trügerisch?

    Ich schritt durch das Heilige Tor, und ein smaragdenes Licht umgab mich.
    Ich schritt durch einen Gang, von

Weitere Kostenlose Bücher