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Curia

Curia

Titel: Curia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar Caplan
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der Bitte um Vergebung an Thoth.
    »Wir könnten mit der Weißen Kapelle im Tempel von Karnak anfangen, was meinst du?«
    Théo ging die Treppe des Museums hinunter und trat auf die Straße. Aus den offenen Fenstern eines Pubs drangen Stimmengewirr und Gelächter. »Museum Tavern« stand auf dem von Lampen beleuchteten Schild. Er überquerte die Great Russell Street und drückte die Mattglastür des Pubs auf.
    Die Bilder und Inschriften auf den Wänden erinnerten daran, dass der Pub einst auch Arthur Conan Doyle und Oscar Wilde zu seinen Kunden gezählt hatte. Théo bestellte ein halbes Pint, zahlte und ging mit dem schäumenden Glas in der Hand auf einen Tisch zu. Während er sich setzte, wechselte er einen Gruß mit dem Mann, der ihm gegenübersaß. Der Mann schien Schauspieler zu sein, seine weißen Haare fielen ihm auf die Schultern, Bart und Koteletten waren sorgfältig im viktorianischen Stil gestutzt, der dunkle Anzug hatte einen perfekten Schnitt.
    »Ein Trinkspruch, Sir?«, fragte der Mann, als Théo sein Glas an den Mund hob.
    »Warum nicht? Worauf?«
    »Auf Oscar Wilde. Er saß immer an diesem Tisch.«
    »Auf Oscar Wilde. Cheers .« Die Gläser klangen.
    »Warum ausgerechnet auf Oscar Wilde?«
    »Tja. Ein drogenabhängiger Psychopath und Pervertierter, werden Sie sagen, mein eleganter Freund von jenseits des Ärmelkanals. Aber Wildes Zitate bleiben unübertroffen. Ich komme seit zweiunddreißig Jahren hierher und spreche immer mit meinem Gegenüber an diesem Tisch. Ein Pub ist ein vortreffliches Labor des menschlichen Geistes. Soll ich Ihnen die Quintessenz dieser zweiunddreißig Jahre verraten?«
    »Ich bin gespannt.«
    »Oscar Wilde schrieb: ›Ich glaube, dass Gott seine Fähigkeiten überschätzt hat, als er den Menschen schuf.‹« Mitleidig zeigte der Mann auf die Kunden, die sich an der Theke drängten. »Pflichten Sie mir bei, Monsieur?«
    Théo verzog den Mund. »Ganz und gar nicht.«
    »Nein? Und warum? Hegen Sie noch Hoffnungen?«
    »Ich glaube, der Mensch hat seine Fähigkeiten überschätzt, als er Gott schuf.«
    Der Mann fixierte ihn verwirrt, erhob sich und drückte Théo feierlich die Hand. »Monsieur, Ihre Worte entschädigen mich für meine zweiunddreißigjährige Suche. Danke, Sie haben Oscar Wilde noch übertroffen.«
    Das Handy klingelte.
    »Ja?«, fragte Théo.
    »Hallo. Ich bin’s, Raisa.«

    Mit einem Glas Whisky in der Hand stellte Théo sich ans Fenster seines Hotelzimmers im Montague on the Gardens, und sein Blick verlor sich in den Lichtern des Russell Square.
    Über dem Lichtschein der Straßenlaternen tauchten die Hieroglyphen des Papyrus auf. Das Schiff einer Million Jahre trug mich bis an die Grenzen des Kosmos, und ich gewahrte, dass es keine Grenzen gibt außer jenen, zu denen mein Geist mich nötigt . »Ich denke, es hat etwas mit dem Ort zu tun, dem geografischen Ort«, hatte Kassamatis im Flugzeug gesagt. »Sais muss ein besonderer Ort gewesen sein.« Er hatte dasselbe in Tell El-Amarna empfunden und im Dom von Siena, doch auch am Ayers Rock, in Assisi und auf dem Mont-Saint-Michel. Was war das für eine Magie, die dort in der Luft lag und diese Orte so besonders machte? Es war, als beträte man die Halle der Aufzeichnungen, stürzte sich in diese rotierende Spirale und entdeckte sich selbst.
    Er leerte das Glas in einem Zug, nahm sein Adressbuch und suchte die Nummer des Weinhändlers Victor La Violette.
    »Was sagen Sie dazu?«, fragte Théo ihn zum Schluss.
    »Großartig, mon ami !«, sagte Victor. »Ich habe selbst immer davon geträumt, aber ich hatte nie den Mut.« Flüsternd fügte er hinzu: »Sie haben meine Frau Ludmille doch kennengelernt, oder?«
    »Also kann ich auf Sie zählen? Teilhaber mit dreißig Prozent und Generaldirektor.«
    »Die Anlagen Ihres Großvaters sind veraltet. Für das, was Ihnen vorschwebt, brauchen wir das Beste, was es heute in der Technologie des Weinanbaus gibt. Das bedeutet eine Investition von mindestens sieben Millionen Euro.«
    Théo dachte an die zwei Säcke mit den Juwelen aus Echnatons Schatz. »In zwei Monaten werde ich das Kapitel auf zehn Millionen Euro erhöhen. Mit meinem Geld, in bar. Und jetzt?«
    »Ich bereite die Schösslinge vor, die wir aufpfropfen werden, dann packe ich die Koffer.«
    »Wann werden Sie abreisen?«
    »Im Februar, mit einer Gruppe Facharbeiter. Im März werden wir die Pfropfreben pflanzen, und innerhalb von drei Monaten garantiere ich Ihnen die Keime der neuen Rebsorte. Und was machen Sie?«
    »Wenn

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