Cut
sind.»
Dobbs berührte leicht meine Schulter. «Trinken Sie was, Keye. Das hat Sie immer beruhigt.»
Und dann ging er davon, breitschultrig, erhobenen Hauptes, in seinem teuren Anzug und seinen teuren Schuhen.
Diane atmete laut aus. «Wow! Das war ja krass.» Langsam wirkte sie ein bisschen beschwipst.
Nach dem Essen fuhren wir in mein Büro. Neil hatte einen riesigen Eimer Popcorn gemacht und versuchte mit allen Mitteln, mich aufzuheitern. Es funktionierte nicht. Wir setzten uns aufs Ledersofa vor dem Breitwandfernseher und sahen uns in lähmender Stille den Fernsehbericht an. Der Sender hatte sogenannte Experten engagiert, um die Arbeit der Spurensicherung, des Gerichtsmediziners, des Kriminallabors und der Ermittler kritisch zu bewerten. Sogar das Vorgehen der uniformierten Beamten an den Tatorten wurde in Frage gestellt. Mich warf man in einen Topf mit einem Hellseher, den die Polizei einmal vor ein paar Jahren konsultiert hatte, und nahm uns alle nacheinander unter die Lupe. Der Bericht klang, als hätte Rauser im Wunschknochen-Fall einen Haufen von Trinkern und Handlesern zu seinen Beratern gemacht. Mein Ex Dan erzählte lammfromm und mit Tränen in den Augen, meine Trinkerei habe unsere Ehe zerstört und der Job beim FBI sei vielleicht eine Nummer zu groß für mich gewesen. Daraufhin wurde Neil gezeigt, der mit einem geöffneten Bier gerade unser Büro verließ. All diese gegeneinander geschnittenen Szenen wurden schließlich bei laufender Kamera den Familien der Opfer vorgeführt, und die waren angesichts unserer himmelschreienden Unfähigkeit natürlich geschockt und wütend.
Noch vor Beginn des Abspanns klingelte mein Telefon. Rauser rief an, um sich zu erkundigen, wie es mir ging. Er hatte den Bericht nicht gesehen. Er hätte Wichtigeres zu tun, meinte er. Außerdem hatte man ihm nahegelegt, sich bedeckt zu halten. Die Pressekonferenzen sollten ab jetzt allein vom Bürgermeister,vom Polizeichef und von Jeanne Bascom, der Polizeisprecherin, abgehalten werden. Rauser sagte, es täte ihm unheimlich leid, dass er mich in diese Sache hineingezogen hatte. Ich solle ihn ständig darüber auf dem Laufenden halten, wo ich mich gerade befinde. Er war der Meinung, ich sei in Gefahr. Meiner Meinung nach hatte der Mörder fürs Erste erreicht, was er erreichen wollte. Er genoss die Aufmerksamkeit der Medien, und der Polizeichef hatte mich abserviert. Die E-Mail , die Rosen, alles war inszeniert, um die Polizei und mich zu verspotten, uns auszutricksen und sich daran zu erfreuen. Dieser Spaß würde ein jähes Ende haben, wenn er mir tatsächlich etwas antäte. Ich war ziemlich sicher, dass er das nicht wollte.
Dan rief an, um mich zu trösten, nachdem er diesen «peinlichen» Bericht gesehen hatte, der meinen Niedergang von einer FB I-Beamtin zu einer renitenten Entzugspatientin dokumentierte. Er habe unmöglich wissen können, dass es ein solcher Film werden würde, behauptete er. Seine Worte seien völlig aus dem Zusammenhang gerissen worden. In Wirklichkeit hätte er dem Journalisten eine Geschichte von großer menschlicher Kraft und erfolgreicher Genesung erzählt. Eigentlich, so gab er zu, hatte er nur ein bisschen Sendezeit für sich haben wollen, um seine Karriere wieder anzukurbeln. Dass sein Auftritt so rüberkommen würde, hätte er nicht geahnt. Bedauerlicherweise entsprach das vermutlich sogar der Wahrheit.
Mutter rief an. Mein Vater telefoniert eher ungern. Seine Kommunikation beschränkt sich meistens auf Nicken und Brummen. «Ich schwöre, Keye, wir waren total baff. Wir hatten gerade Joyce Meyer geguckt und dann hat dein Vater umgeschaltet. Du weißt ja, wie er ist, wenn er die Fernbedienung in der Hand hat. Er lässt sich von weiblichen Predigern einschüchtern, auch wenn er es nicht zugeben will. Gib’s zu, Howard. Du magst Frauen nicht, die Macht haben, stimmt’s? Naja, jedenfalls haben wir mit einem Mal dich gesehen. Unsere Tochter im Fernsehen! Und was die für Sachen gesagt haben! O mein Gott. Es tut mir ja so leid. Dein Bruder hat auch angerufen. Er sagt, die Sendung wurde sogar oben in Seattle gezeigt. Kannst du dir das vorstellen?»
«Diese Scheißjournalisten», brummte ich verärgert.
«Keye, um Himmels willen, seit wann nimmst du bloß solche Worte in den Mund? Das ist überhaupt nicht schön. Howard, hast du das gehört? Ich hoffe, jetzt bist du zufrieden. Deine Tochter redet genauso wie du.»
Ich bat Neil, Diane nach Hause zu fahren. Sie hatte im Restaurant noch einen vierten
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