Cut
daraus.
Ich gab ihm einen Kuss auf die Wange und drehte mich weg, doch Charlie zog mich zurück in seine Arme und presste seine Lippen auf meine. Hätte er sich eine lebendige Eidechse aus dem Ohr gezogen, ich wäre nicht schockierter gewesen. Seine Hände umklammerten meine Arme.
«Es ist nicht in Ordnung, mich so zu küssen, Charlie», sagte ich streng. «Jetzt lass mich los.»
«Weil wir nur Freunde sind», sagte Charlie. «Wie du und Mr. Mann.»
Ich versuchte mich zu befreien. Er fuhr blitzschnell mit einer Hand hinter meinen Nacken und griff mir ins Haar. Mit der anderen hielt er meinen Oberarm fest. Dann presste er wieder seinen Mund auf meinen. Er war stark, seine Hände waren wie Schraubzwingen und seine Zähne scharf.
Er zog heftig an meinem Haar und drückte mein Gesicht an seines. Ich konnte meinen Kopf nicht mehr bewegen. Seine Augen hinter den Brillengläsern waren grünlich braun und völlig emotionslos.
«Ich glaube, ich sollte dich genauso ficken, wie Mr. Mann dich fickt», sagte er, hielt meinen Kopf mit der rechten Hand fest und wollte sich mit der linken die Hose aufmachen. Ich spürte seine Erektion an meinem Bauch. Er nuschelte nicht mehr. Sein Lächeln war verschwunden. Diesen Charlie Ramsey kannte ich nicht. «Hat er einen großen Schwanz?», fragte er, und in dem Moment explodierte ich. Ohne zu zögern und ohne Luft zu holen, rammte ich ihm mein Knie zwischen die Beine. Seine Reaktion kam augenblicklich. Genau so, wie es mir in der Ausbildung versichert worden war, krümmte er sich zusammen, und als er das tat, hob ich mein Knie erneut und knallte es ihm mit aller Kraft gegen die Stirn. Ich scheute mich nicht, die Techniken anzuwenden, die ich gelernt hatte. Ich mochte nicht mit Gewalt angefasst werden. Charlie hatte keine Rücksicht mehr verdient. Seine Absichten waren mehr als deutlich geworden.
Er schwankte. Als er den Kopf hob, schlug ich ihm mit der flachen Hand auf die Nase und schob sie ihm praktisch bis in die Augenhöhlen. Er stürzte nach hinten. «Tut mir leid», stöhnte er. Er hatte sich die Hände aufs Gesicht gelegt und gab Würgelaute von sich. «Ich vergesse immer, meine Medikamente zu nehmen. Es tut mir ganz doll leid. Bitte nicht Mr. Mann sagen.»
Ich stürmte in mein Büro und kehrte fuchsteufelswild mit meiner Glock zurück. «Wenn du mich noch einmal so anpackst, wird Rauser deine letzte Sorge sein. Ich habe überhaupt keine Probleme damit, das Ding hier zu benutzen. Kapiert? Und nimm deine Medikamente, Charlie.»
In dem Moment kam Neil herein. Sein Blick fiel auf die Waffe in meiner Hand und dann auf Charlie, der sich vor Schmerzen krümmte. Er schaute mich an, als hätte ich gerade in der Kirche auf den Boden gepinkelt.
«Schaff ihn hier raus, Neil. Rauser kommt gleich vorbei. Der flippt sonst aus.»
Neil bückte sich und betrachtete Charlie. Er holte ein paar Taschentücher und drückte sie Charlie unter die Nase. Charlie hielt sie zitternd fest.
«Mein Gott, Keye, was war denn los?», fragte Neil.
«Ich habe ihn für einen Einbrecher gehalten», sagte ich. Neil musterte mich skeptisch. «Okay, ich erklär’s dir später. Schaff ihn einfach raus.»
Charlie setzte sich hin, presste sich die blutgetränkten Taschentücher vors Gesicht und würgte wieder.
«Mein Gott», sagte Neil erneut.
21
E s war ein komisches Gefühl, Charlies Blut vom Boden zu wischen. Der süße Charlie, der Kerl, der mir in einer Baseballkappe Geschenke mitbringt. Mein bekloppter Freund Charlie.
Neil half mir, ihn hochzuhieven, und erklärte sich bereit, ihn nach Hause zu fahren, wo auch immer er zu Hause war. Dass ich nicht einmal wusste, wo er wohnte, bereitete mir ein schlechtes Gewissen. Wir dachten alle, dass er irgendwie betreut wurde, doch niemand wusste Genaueres. Himmel, was sollte ich nun mit Charlie machen? Er war mein Freund gewesen. Er hatte zu unserer bunten Truppe gehört. Ich hatte mir nie etwas dabei gedacht, mit ihm allein zu sein. Das also ist Charlie, wenn er keine Medikamente nimmt? Der Vorfall würde alles zwischen uns ändern. Was war bei diesem Unfall mit seinem Gehirn passiert? Wer war er, bevor der Lkw ihn überfahren hatte, vor all den Operationen und bevor er Job und Familie verloren hatte? Ich beschloss, mit Neil darüber zu sprechen, ob wir uns nicht die ärztlichen Unterlagen von Charlie beschaffen sollten. Anscheinend war es ja nicht besonders schwer, an vertrauliche Dokumente zu kommen. Der Inhalt meiner Akten war jedenfalls gerade in
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