Cyberabad: Roman (German Edition)
Mumbai, New Delhi und Hyderabad finden globalen Widerhall. Sie sind das Domizil der mythischen »Generation Drei«, Kaihs mit Überintelligenz, die so hoch wie Götter über den Menschen stehen.
Der Badrinath-Sundarban beansprucht räumlich ein bescheidenes Apartment im fünfzehnten Stock an der Vidyapeeth Road. Die Nachbarn des Datenrajas Radhakrishna dürften nicht im Mindesten ahnen, dass nebenan zehntausend kybernetische Devis wohnen. Als er sich durch die Mopeds zum Parkplatz hupt, ruft Mr. Nandha seine Avatare auf. Jashwant wurde gewarnt. Datenrajas haben zahlreiche Fühler, die auf jede Vibration im globalen Netz reagieren, so dass sie beinahe hellsichtig scheinen. Als Mr. Nandha den Wagen verschließt, beobachtet er, wie sich die Straßen und die Skyline mit Göttern füllen, die riesig wie Berge sind. Shiva überprüft den drahtlosen Verkehr, Krishna das Extra- und Intranet, Kali hebt ihren Säbel über die Satellitenschüsseln von New Varanasi, um alles niederzumähen, was sich aus Badrinath hinauskopieren will. Schaden ist uns Freude und Bosheit unsere Kunst , singt der Chor des English Chamber Orchestra.
Dann wird alles weiß. Ein Ansturm statischen Rauschens. Die Götter werden von der Skyline getilgt. Dido und Aeneas bricht mitten im Continuo ab. Mr. Nandha reißt sich den Hoek vom Ohr.
»Platz machen, Platz machen!«, schreit er die Passanten an. Während seiner ersten Woche beim Ministerium erlebte Mr. Nandha leibhaftig einen ausgewachsenen EM-Puls. Die Signatur ist eindeutig. Als er die Stufen zum Foyer hinaufstürmt und mit seinem stotternden Palmer Polizeiunterstützung anfordert, glaubt er etwas zu sehen, das zu groß für einen Vogel ist und zu klein für ein Flugzeug. Es springt vom Apartmentgebäude empor und verschwindet im leuchtenden Nachthimmel von Varanasi. Sekunden später explodiert die Fensterfront des fünfzehnten Stocks in einem Feuerball.
»Laufen Sie, flüchten Sie!«, ruft Mr. Nandha, als die rauchenden Trümmer auf die Gaffer herabregnen, aber der einzige große, erdrückende Gedanke in seinem Kopf ist, dass er es jetzt nicht mehr schaffen wird, seinen Anzug von Mukherjee abzuholen.
13 Shaheen Badoor Khan, Najia
Premierministerin Sajida Rana trägt heute Gold und Grün. Ihr Kabinett weiß, dass es um Angelegenheiten des nationalen Stolzes geht, wenn sie in den Farben der Flagge erscheint. Sie steht am Ostende des langen Teaktischs im lichten Kabinettzimmer aus Marmor in der Bharat Sabha.
An der Wand reihen sich goldgerahmte Ölgemälde von Vorgängern und politischen Vorbildern aneinander. Ihr Vater Diljit Rana in seiner Richterrobe, der Vater der Nation. Ihr Großvater Shankar Rana im Seidengewand eines englischen Kronanwalts. Jawarhalal Nehru, unnahbar und leicht furchteinflößend in seinem niedlichen Anzug, als hätte er den Preis gesehen, den künftige Generationen für seinen schnellen, schmutzigen Deal mit Mountbatten würden zahlen müssen. Der Mahatma, der Vater von allen, mit Reisschale und Spinnrad. Lakshmi Bai, die kriegerische Rani, die in den Steigbügeln ihres Pferdes der Kavallerie von Maratha steht und den Angriff auf Gwalior befehligt. Und die Autokraten jener anderen mächtigen indischen Dynastie, die den Namen Gandhi teilt: Sonia, der ermordete Rajiv, die Märtyrerin Indira, Mutter Indien.
Die Marmorwände und -decken des Kabinettzimmers wurden als filigranes Kunstwerk der Hindu-Mythologie ausgearbeitet. Doch die Akustik ist trocken und hallend. Jedes Flüstern wird verstärkt. Sajida Rana legt die Hände auf das polierte Teakholz, stützt sich darauf und nimmt die Haltung eines Kämpfers an.
»Können wir es überleben, wenn wir Awadh angreifen?«
Verteidigungsminister V. S. Chowdhury wendet ihr die trüben Raubvogelaugen zu.
»Bharat wird überleben. Varanasi wird überleben. Varanasi ist ewig.«
Im hallenden Saal kommt kein Zweifel auf, was er damit meint.
»Können wir sie besiegen?«
»Nein. Wir können es nicht einmal hoffen. Sie haben gesehen, wie Shrivastava und McAuley sich im Weißen Haus die Hände geschüttelt haben, um den Status einer meistbegünstigten Nation zu besiegeln.«
»Als Nächstes wird das Shanker Mahal an der Reihe sein«, sagt Energieminister Vajubhai Patel. »Die Amerikaner haben Ray Power gründlich beschnuppert. Die Awadhis müssen gar nicht einmarschieren, sie können uns einfach aufkaufen. Nach meinen letzten Informationen ist der alte Ray zum Manikarna Ghat hinuntergegangen, um sein Surya Namaskar
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