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Cyberabad: Roman (German Edition)

Cyberabad: Roman (German Edition)

Titel: Cyberabad: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McDonald
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spielt heute im ul-Haq.«
    Nachbar Thakur brachte eine Ladung Schuhe zu seinem Abnehmer in Patna und war nur allzu gern bereit, Vater und Sohn Kudrati in seinem Pick-up mitzunehmen. Eine niedrigkastige Mitfahrgelegenheit, aber es war aller Wahrscheinlichkeit nach das letzte Mal, dass Naresh Engineer jemals wieder den Schläger in die Hand nahm.
    Das Land der Kudratis war aus den Händen von Gandhi und Nehru gekommen, als sie es den Zamindar abnahmen und den Ackerbauern von Biharipur gaben. Es hatte eine stolze Geschichte, nicht nur als Erbe der Kudratis, sondern der ganzen Nation, und sein Name lautete Indien , nicht Bharat oder Awadh oder Maratha oder States of Bengal. Das war der Grund, warum Krishans Vater unbedingt sehen musste, wie der größte Schlagmann, den Indien in dieser Generation hervorgebracht hatte, an die Linie trat – um seinen Namen zu ehren.
    Krishan war acht Jahre alt und zum ersten Mal in einer Stadt. Die Sportsendungen von StarAsia hatten ihn nicht auf die Menschenmassen vor dem Moin-ul-Haq-Stadion vorbereitet. Er hatte noch nie so viele Leute auf einmal gesehen. Sein Vater führte ihn sicher durch die wirbelnde Menge, die Muster innerhalb von Mustern bildete wie bedruckter Stoff.
    »Wohin gehen wir?«, fragte Krishan, als er bemerkte, dass sie sich gegen den allgemeinen Strom zu den Drehkreuzen bewegten.
    »Mein Cousin Ram Vilas, der Neffe deines Großvaters, hat Tickets.«
    Er erinnert sich, wie er sich im Gewimmel der Gesichter umblickte und den sicheren Griff spürte, mit dem sein Vater ihn weiterzerrte. Dann wurde ihm klar, dass die Menge größer war, als sein Vater sich vorgestellt hatte. Er hatte von weiten Grünflächen geträumt, Tribünen in der Ferne, höflichem Applaus, und dabei hatte er vergessen, einen Treffpunkt mit Cousin Ram Vilas zu vereinbaren. Jetzt würde er sich spiralförmig um das ul-Haq herumbewegen und nötigenfalls jedes einzelne Gesicht mustern.
    Nach einer Stunde in der Hitze wurde die Menge dünner, doch Krishans Vater machte unerbittlich weiter. Innerhalb des Betonovals stellten krachende Lautsprecher die Spieler vor, und die Inder begrüßten sie mit heftigem Applaus und Jubel. Sowohl Vater als auch Sohn wussten inzwischen, dass der Neffe seines Großvaters nie hier gewesen war. Sie würden niemals ihre Tickets bekommen. Im schrägen Schatten der Haupttribüne stand ein Nimki-Verkäufer. Mr. Kudrati nahm wieder die Hand seines Sohnes und zerrte ihn quer über den Beton. Als sie in Riechweite des ranzigen heißen Öls kamen, sah Krishan, was seinen Vater in Schwung gebracht hatte. Auf der verglasten Auslage stand ein Radio, das dummen Pop plärrte.
    »Mein Sohn, das Testspiel«, brabbelte sein Vater den Snackverkäufer an. Er warf ihm ein paar flatternde Rupien hin. »Umschalten, einstellen, reindrehen. Und ein paar von diesen Pappadi.«
    Der Verkäufer griff mit einem Kegel aus Zeitungspapier in das heiße Essen.
    »Nein nein!« Krishans Vater schrie beinahe vor Verzweiflung. »Zuerst einstellen. Dann das Essen. 97,4.« Ram Sagar Singh kam mit seiner BBC -Standardaussprache herein, und Krishan setzte sich mit der Papiertüte voller heißer Pappadi, gegen den warmen Stahlkarren gelehnt, um sich das Spiel anzuhören. Das ist seine Erinnerung an die letzten Innings von Naresh Engineer, wie er am Karren eines Nimki-Verkäufers außerhalb des Cricketspielfelds von Moin-ul-Haq hockt und auf Ram Sagar Singh horcht, auf das leise, teils imaginierte Knallen des Schlägers und dann das Gebrüll der Menge hinter ihm – den ganzen Tag lang, während sich die Schatten über den Beton des Parkplatzes bewegen.
    Krishan Kudrati lächelt im Halbschlaf unter dem Kletterhibiscus. Ein dunklerer Schatten fällt auf seine geschlossenen Lider, gefolgt von einem kühlen Hauch. Er öffnet die Augen. Parvati Nandha steht über ihm und blickt auf ihn herab.
    »Ich sollte Sie wirklich tadeln, dass Sie während der Arbeit schlafen.«
    Krishan blickt auf die Uhr seines Radios. Er hat noch zehn Minuten Zeit, aber er setzt sich auf und schaltet das Radio aus. Die Spieler sind beim Mittagessen, und Ram Sagar Singh stöbert in seinem Wissensschatz aus Cricket-Fakten.
    »Ich wollte nur hören, wie Sie meine neuen Armreifen für den Empfang heute Abend finden«, sagt Parvati, wie eine Tänzerin mit einer Hand an der Hüfte, während sie mit der anderen vor ihm herumwedelt.
    »Wenn Sie stillhalten, kann ich vielleicht etwas erkennen.«
    Metall fängt das Licht auf und überwältigt Krishan.

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