CyberCrime
des Jahres immer mehr nachließ). Durch den Job verfügte er zum ersten Mal in seinem Leben über ein wenig zusätzliches Geld. Zum Sparen reichte es nicht: Was allerdings übrig blieb, floss in den Drogenkonsum, der jetzt auch Kokain einschloss; wenig später verschrieb er sich auch dem verheerendsten Betäubungsmittel von allen: Crack.
Da er den Flugpreis nicht beschaffen konnte, lieh sich Renu das Geld von Freunden, und bevor er sich auf den langen Flug nach Chennai begab, kaufte er zur Sicherheit noch American-Express-Reiseschecks im Wert von 3000 britischen Pfund.
Was von der Begegnung zu erwarten war, wusste niemand: Als er seine Mutter verlassen hatte, war er noch ein Junge gewesen. Jetzt war er ein erwachsener junger Mann, und sein Leben wurde durch Phasen starker Einsamkeit akzentuiert. Sein Sozialleben hatte sich zwar seit der Collegezeit verbessert, aber er neigte nie zu lockeren Unterhaltungen und konnte seinen Gefühlen kaum Ausdruck verleihen. Und obwohl er noch so jung war, hatte er doch schon eine bewegte Vergangenheit. Es gab vieles, das er seiner Familie nicht mitteilen wollte.
Die Reise begann unspektakulär. Von Chennai musste er mit einem der überfüllten, stickigen indischen Busse aufs Land fahren; dabei teilte er sich den Platz mit zu vielen Menschen, zu vielen Hühnern und zu viel Gepäck. Ungefähr auf halbem Weg – die Augen fielen ihm nach der langen Flugreise von London immer wieder zu – spürte er ein leichtes Ziehen, das ihn sofort wieder hellwach werden ließ. Er dachte sich nichts dabei. Aber die Freude auf das Wiedersehen mit seiner Mutter wurde gedämpft, als er den Bus verließ – man hatte seine kleine Tasche aufgeschnitten, und die Reiseschecks im Wert von 3000 Pfund waren weg.
Es sollte noch schlimmer kommen. Als er das Büro von American Express in Chennai aufsuchte, lehnten die Mitarbeiter es ab, ihm den Schaden zu ersetzen (was nach seiner Kenntnis der einzige Grund war, warum man überhaupt Schecks statt Bargeld mitnahm). Bevor sie Ersatz leisten konnten, musste er eine Bestätigung der örtlichen Polizei vorlegen, dass man ihm das Geld gestohlen hatte. Außerdem erklärte man ihm, American Express garantiere nicht den Ersatz des Geldes, sondern zahle nur »nach eigenem Ermessen«.
Als er zurück in England war, erwiesen sich die Bürokraten von American Express als ähnlich unzugänglich. Sie behaupteten steif und fest, Renu habe nicht die erforderlichen Unterlagen vorgelegt, mit denen nachgewiesen wurde, dass die Schecks gestohlen oder verloren gegangen waren. Es werde keine Auszahlung geben.
Die Personen, von denen er sich das Geld geliehen hatte, waren seine Freunde. Aber die Freundschaft hatte ihre Grenzen. Sie empfanden zwar Mitgefühl mit Renus Notlage, wollten aber auch ihr Geld zurück. Um es zu beschaffen, gab es für Renu nur einen Weg: Er musste Kreditkarten belasten. Schließlich war es das Zeitalter des Plastikgeldes, und sowohl die Banken als auch die Kreditkartenunternehmen waren auf Renu als Kunden ebenso erpicht wie auf jeden anderen.
Mit dem miesen Job bei Pizza Hut konnte er seine steigenden finanziellen Bedürfnisse immer weniger befriedigen: die Schulden; Alkohol und Drogen; die Studienkosten; die Miete. Renus Welt geriet ins Wanken. Als Erstes litten seine Studienverpflichtungen: Nachdem er auf dem Campus Harrow der Westminster University die Abschlussprüfung des ersten Studienjahres abgelegt hatte, kam er immer seltener zu den Lehrveranstaltungen. Nach dem zweiten Jahr schaffte er das Examen nicht, und auch in der Wiederholungsprüfung fiel er durch.
Um der Verzweiflung zu entgehen, fing er an, wie besessen Lieder von Napster herunterzuladen. Dann stieß er auf die Websites, auf denen Mitglieder der Szene die von ihnen geknackten Spiele und Programme austauschten. Nun wurden die Nächte immer länger, und Renu tauchte in die sichere, ferne Welt des flackernden Bildschirms ein, die weit von den geifernden Hunden der Realität entfernt war.
Eines Abends erzählte er einem der vielen vagabundierenden Internetsurfer, die er im Netz und auf seinem IRC -Channel kennengelernt hatte, die Geschichte von Amex und seinem verlorenen Geld. »Versuch’s mal bei amexsux.com «, sagte sein Kontaktmann. »Wenn auch sonst nichts dabei rauskommt, fühlst du dich wenigstens besser!«
Die Site (Logo: DO leave home without it ), auf der ehemalige American-Express-Kunden ihrem Ärger über eine vermeintlich schlechte Behandlung Luft machten, war ganz nach
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