Cynster 07 - Nur mit deinen Kuessen
sprechen.
Diese Vorstellung entlockte ihr ein heiteres Lachen, und das Grübchen in ihrer linken Wange begann zu zittern. Doch ihre Ungezwungenheit verschwand sofort wieder. Wer immer er auch sein mochte, er hatte sie nicht aufgesucht. Vielleicht würde sie ihn nie wieder sehen. Bestimmt war er ein Verwandter - es bestand eine Ähnlichkeit zwischen ihm und ihrem Vater und ihrem Onkel. Mit düsterem Blick betrat sie das Haus.
Sie war gerade von einem Ausritt zurückgekehrt, als Ester nach ihr gerufen hatte, und war umgehend vom Stall ins Haus gerannt. Sie war länger als sonst weg gewesen und Ester und Charles hatten sich bestimmt Sorgen gemacht. Dann war sie mit dem Fremden zusammengestoßen.
Er war mit Sicherheit ein Gentleman und hatte womöglich auch noch einen Titel; schwer zu sagen, ob Chillingworth sein Nachname oder sein Titel war. Chillingworth. In Gedanken wiederholte sie den Namen, rollte ihn auf der Zunge. Er hatte einen bestimmten Klang, der zu dem Mann passte. Ihr fiel noch einiges zu ihm ein, er war genau das Gegenteil von diesen langweiligen Gentlemen aus der Provinz, die sie seit letztem Jahr getroffen hatte. Chillingworth, wer immer er auch sein mochte, war aber ganz und gar nicht langweilig.
Ihr Puls raste noch immer, ihr Blutdruck stieg, und das war bestimmt nicht auf das Reiten zurückzuführen. Sie glaubte nicht, dass ihr rasender Puls oder ihre Atemlosigkeit, die langsam abebbte, irgendetwas mit ihrem Ausritt zu tun hatte. Sie waren die Folge davon, dass er sie so eng an sich gedrückt und sie angelächelt hatte, wie ein Leopard, der seine Mahlzeit beäugt, und sie wusste genau, was er gedacht hatte.
Seine grauen Augen hatten gefunkelt und sich verdunkelt, seine Lippen hatten sich deshalb nach oben verzogen, weil er unschickliche Gedanken hatte. Gedanken an nacktes Fleisch, das sich an nacktes Fleisch presste, seidene Laken, die sich hin und her schoben, während sich nackte Körper in einem uralten Rhythmus darauf vereinigten. In ihren Gedanken nahmen diese schamlosen Bilder Gestalt an.
Sie errötete und verbannte sie aus ihrem Kopf. Dann ging sie den Flur hinunter. Sie blickte sich um, und als sie niemanden sah, wedelte sie mit der Hand vor ihrem Gesicht herum. Sie wollte Ester nicht erklären müssen, warum sie errötet war.
Aber wo war Ester? Sie betrat den mittleren Flügel und machte einen Abstecher in die Küche; von Ester keine Spur. Das Personal hatte sie rufen gehört, wusste aber nicht, wohin sie gegangen war. Francesca schlüpfte durch die Tür in die Eingangshalle.
Auch dort war niemand. Ihre Stiefelabsätze klapperten auf dem gefliesten Boden, als sie zur Treppe hinüberging. Sie hatte die Hälfte der Treppe bereits erklommen, als die Tür zum Arbeitszimmer ihres Onkels geöffnet wurde. Ester kam heraus, sah sie und lächelte. »Da bist du ja, Liebes.«
Francesca änderte ihre Taktik. »Es tut mir so Leid, es war ein so schöner Tag, und ich bin die ganze Zeit über geritten und habe völlig vergessen, wie spät es schon war. Ich habe dich rufen gehört und bin sofort losgerannt. Ist irgendetwas passiert?«
»Nein.« Ester, eine große Frau mit einem großen Gesicht, aber den freundlichsten Augen, die man sich vorstellen kann, lächelte liebevoll, als Francesca vor ihr stehen blieb. Sie streckte den Arm aus und zog die alberne Reitkappe von Francescas wildem Lockenschopf. »Dein Onkel möchte mit dir reden, und obwohl nichts passiert ist, nehme ich an, dass du dennoch an dem, was er zu sagen hat, interessiert bist. Ich bringe die Kappe« - Ester erblickte die Handschuhe und die Reitpeitsche, die Francesca in der Hand hielt und nahm ihr beides ab - »und diese Sachen für dich nach oben. Geh jetzt hinein - er will unbedingt mit dir sprechen.«
Ester deutete mit dem Kopf auf die offen stehende Tür. Neugierig trat Francesca ein und schloss die Tür. Charles saß an seinem Schreibtisch und las einen Brief. Als er das Schloss klicken hörte, sah er auf und strahlte.
»Francesca, meine Liebe, komm und setz dich. Ich habe gerade eine höchst interessante Nachricht erhalten.«
Er deutete auf den Sessel neben seinem Schreibtisch, und Francesca konnte sich jetzt selbst davon überzeugen, wie Charles’ Augen strahlten. Diesmal waren sie nicht von Sorgen umschattet, wie es so oft der Fall war. Allzu oft war sein trauriges Gesicht von Kummer und Sorgen gezeichnet, doch jetzt strahlte es unverkennbar vor Freude. Sie ließ sich in den Sessel fallen. »Und diese Nachricht hat etwas
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