Cyrion
Hoffnung.«
»Ich spotte nicht«, wehrte Cyrion ab, »aber ich befürchte, daß Ihr etwas von mir wollt. Von Erlösern erwartet man, daß sie etwas tun. Zum Besten ihres Volkes, wie es heißt. Was wollt Ihr? Das sollten wir erst klären.«
»Herr«, sagte der Mann, »ich bin Memled, Prinz dieser Stadt.«
»Prinz, aber nicht Erlöser?« unterbrach ihn Cyrion mit einem äußerst beleidigenden Ausdruck des Erstaunens.
Memled senkte den Blick.
»Wenn Ihr mich damit zu beschämen sucht, so ist dies Euer Recht. Aber Ihr solltet wissen, die Umstände machen mich hilflos.«
»Oh, gewiß. Natürlich.«
»Ich ertrage Euren Hohn, ohne zu klagen. Noch einmal frage ich Euch, ob Ihr unserer Stadt helfen wollt.«
»Und ich frage noch einmal, was Ihr von mir wollt.«
Memled hob die Lider und sah Cyrion wieder ins Gesicht.
»Wir sind in der Gewalt eines Ungeheuers, eines dämonischen Geschöpfes. Es lebt in den Höhlen unter der Stadt, aber des Nachts kommt es hervor. Es nährt sich von dem Fleisch der Männer, trinkt das Blut unserer Frauen und Kinder. Ein uralter Zauber schützt es, aufgrund eines Paktes, den vor hundert Jahren die Prinzen dieser Stadt (sie seien verflucht!) mit den Heerscharen des Teufels schlossen. Niemand, der in dieser Stadt geboren wurde, hat die Macht, das Ungeheuer zu töten. Aber es gibt eine Prophezeiung. Ein Fremder, ein Held, den sein Weg vor die Mauern unserer Stadt führt, wird die Macht haben.«
»Und wie viele Helden«, sagte Cyrion milde, »haben bei diesem Eurem Unterfangen ein vorzeitiges Ende gefunden?«
»Ich will Euch nicht belügen. Mehr als ein Dutzend. Wenn Ihr weiterzieht, wird niemand hier schlecht von Euch denken. Eure Aussichten auf Erfolg wären sehr gering, solltet Ihr Verstand und Fechtkunst mit der Kraft des Ungeheuers messen. Und unser Elend kann Euch nichts bedeuten.«
Cyrion ließ den Blick über die schwarzgekleidete Menge wandern. Die leeren Gesichter waren ihm zugewandt. Die Kinder waren kleine Erwachsene, ebenso still, reglos, starr. Entsprach die Geschichte der Wahrheit, so hatten sie die Lektion von Angst und Not früh gelernt, ohne die Aussicht, alt genug zu werden, um Nutzen daraus zu ziehen.
»Abgesehen von seinen Eßgewohnheiten«, sagte Cyrion, »was könnt Ihr mir von dem Ungeheuer erzählen?«
Memled erschauerte. Seine Blässe vertiefte sich.
»Mehr kann ich nicht preisgeben. Auch das gehört zu dem Fluch, der auf uns lastet. Wir dürfen Euch nicht helfen, weder mit Worten noch mit Taten. Nur beten können wir, solltet Ihr Euch entschließen, gegen den Teufel zu kämpfen.«
Cyrion lächelte.
»Eure Unverfrorenheit, mein Freund, ist beeindruckend. Also sagt mir wenigstens dies: Wenn ich Euer Ungeheuer besiege, welche Belohnung erwartet mich, außer natürlich den Segenswünschen Eures Volkes.«
»Wir haben unser Gold, unser Silber, unsere Juwelen. Ihr könnt sie alle haben oder was immer Ihr begehrt. Wir sehnen uns nach Sicherheit, nicht Reichtum. Unser Reichtum hat uns nicht vor Entsetzen und Tod bewahrt.«
»Ich glaube, wir sind uns soeben handelseinig geworden«, bemerkte Cyrion. Er schaute wieder zu den Kindern. »Vorausgesetzt, der Inhalt Eurer Schatzkammer hält mit Euren Versprechungen Schritt.«
Es war Mittag, und das erbarmungslose Licht der Sonne ergoß sich über die Stadt. Cyrion betrat die Stadt in Begleitung von Prinz Memled und zwei Wächtern - ebenfalls schwarzgekleideten Männern, aber mit schweren Dolchen und Schwertern im Gürtel, die bestimmt niemals das Blut des Ungeheuers gekostet hatten. Dahinter folgte abwartend die Menschenmenge. Bis auf das Geräusch der durch den Sand schleifenden Füße war alles totenstill. Hier und da stand ein Vogelkäfig im Schatten eines Erkerfensters. Die Vögel in den Käfigen sangen nicht.
Sie erreichten den Marktplatz, der sonnengebleicht, menschenleer und ohne eine Spur kaufmännischen Lebens war. Ein Brunnen in der Mitte des Platzes verriet das Vorhandensein von Wasser, wohl der Hauptgrund für die Gründung dieser Stadt. Weitere Anzeichen für Wasservorkommen gab es in einiger Entfernung, wo eine breite, von steinernen Säulen flankierte Treppe zu einer wuchtigen, zinnenbewehrten Mauer und Türen aus vergoldeter Bronze hinaufführte. Über die Mauerkrone ragten die Kuppeln und Türmchen des Palastes und Wipfel von Palmen hinaus. Ein grüner Duft lag in der Luft, berauschend wie Weihrauch in der Wüste.
Die Menge blieb auf dem Marktplatz zurück. Memled und seine Wachen geleiteten Cyrion die
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