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Cyrion

Cyrion

Titel: Cyrion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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Treppe hinauf. Die goldbeschlagenen Türen wurden geöffnet. Das Innere des Palastes war von dem kühlen Blau einer Unterwasserhöhle, erfüllt von dem Rauschen zarter Wasserspiele und dem süßen Duft sonnenverwöhnter Blumen.
    Schwarzgekleidete Diener brachten gekühlten Wein. Die Speisen waren ärmlich und viel schlechter als der Wein. War auch das die Schuld des Ungeheuers? Cyrion hatte kein Schaf, keine Ziege in der Stadt gesehen. Auch keinen Hund, nicht einmal die schlanken, gelben Katzen oder gestreiften Äffchen, wie reiche Frauen sie gerne verwöhnten - anstelle von Kindern.
    Nach dem Essen führte Memled, schweigsam, aber höflich, Cyrion in die Schatzkammer, wo Reichtümer sich häuften wie der Sand vor den Toren.
    »Ich könnte mir denken«, meinte Cyrion, während er Perlenschnüre und Rubinketten mäkelig durch die Finger gleiten ließ, »hiermit hättet Ihr Euch einen Helden kaufen können, hättet Ihr nur eine Botschaft ausgesandt.«
    »Auch das gehört zu dem Fluch. Wir dürfen nicht rufen. Der Zufall muß ihn zu uns führen.«
    »Wie die Nomaden sagen«, entgegnete Cyrion charmant und sehr unschuldig, »niemand kennt die Mauer besser als der, der sie erbaut hat.«
    In diesem Augenblick ertönte ein Donnern aus den Eingeweiden der Welt.
    Es war ein furchterregendes, mißtönendes Brüllen, voll heißer Grausamkeit und Lust am Töten. Es mochte ein Stier sein oder eine Herde von Stieren, mit Kehlen aus Messing und Sehnen aus geschmolzenem Eisen. Der Boden zitterte ein wenig. Ein Stein löste sich aus einem Berg Saphire und rollte auf einen darunterliegenden Hügel.
    Cyrion schien mehr interessiert als beunruhigt.
    Jedenfalls lag nichts als Interesse in seiner Stimme, als er Prinz Memled fragte: »Ist das Euer Ungeheuer, das sich auf sein nächtliches Festmahl freut?«
    Auf Memleds Gesicht trat der Ausdruck allergrößter Angst und Verzweiflung. Sein Mund zuckte. Er stieß einen plötzlichen Schrei aus, als hätte ein gefürchteter, wohlbekannter Schmerz ihn wieder befallen. Er schloß die Augen.
    Fasziniert bemerkte Cyrion: »Es stimmt also, daß Ihr nicht von ihm sprechen könnt? Beruhigt Euch, mein Freund. Es spricht sehr deutlich für sich selbst.«
    Memled schlug die Hände vors Gesicht und wandte sich ab.
    Cyrion verließ den Raum. Bleich, aber einigermaßen gefaßt, folgte Memled seinem Helden. Schwarzgekleidete Wächter verriegelten die Schatzkammer.
    »Jetzt«, sagte Cyrion, »da ich Eurem Ungeheuer nicht entgegentreten kann, bevor es des Nachts die Höhlen verläßt, möchte ich schlafen. Meine Reise durch die Wüste war anstrengend, und, Ihr werdet mir sicher zustimmen, man sollte ausgeruht in einen Kampf gehen.«
    »Herr«, antwortete Memled, »mein Palast steht zu Eurer Verfügung. Aber während Ihr schlaft, werden ich und noch einige Männer an Eurer Seite wachen.«
    Lächelnd beschied ihm Cyrion: »Sie und Ihr, mein Freund, werdet das nicht tun.«
    »Herr, es ist besser, wenn Ihr nicht alleine bleibt. Vergebt meine Beharrlichkeit.«
    »Welche Gefahr sollte mir drohen? Das Ungeheuer ist keine Gefahr, bis die Sonne untergeht. Und das chuert noch einige Stunden.«
    Memled schien beunruhigt. Er streckte die Hand aus und deutete auf die Stadt hinter den Palastmauern. »Ihr seid ein Held, Herr. Einige der Leute könnten die Wachen bestechen. Sie könnten in den Palast eindringen und Euch mit Fragen und Lärm belästigen.«
    »Mir kam es vor«, erwiderte Cyrion, »als ob Euer Volk ungewöhnlich schweigsam wäre. Aber auch wenn nicht, sollen sie nur kommen. Ich schlafe tief. Ich glaube nicht, daß irgend etwas mich vor Sonnenuntergang wecken kann.«
    Memleds Gesicht, dieser Spiegel von Empfindungen, verriet Erleichterung. »So tief ist Euer Schlaf? Dann bin ich bereit, Euch allein zu lassen. Oder soll man Euch ein Mädchen
    bringen?«
    »Ihr seid zu liebenswürdig. Trotzdem verzichte ich auf das Mädchen. Ich ziehe es vor, meine Frauen selbst auszusuchen - und erst nach einem Kampf, nicht vorher.«
    Memled lächelte das ihm eigene, steife, etwas rostige Lächeln. Seine Augen überzogen sich mit einem Schleier aus Selbsthaß, Schuldgefühlen und Scham.
    Die Türen des luxuriösen Zimmers, in das man Cyrion geführt hatte, schlossen sich. Räucherwerk brannte in silbernen Schalen. Fensterläden aus bemaltem Holz und bestickte Vorhänge schützten vor der brennenden Nachmittagssonne. Vor der geschlossenen Tür spielten Musiker eine leise, sinnliche Melodie auf Flöten, Trommeln und Ghkzas. Alles

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