Da geht noch was: Mit 65 in die Kurve (German Edition)
die Sendung über den Sommer hinaus weitergehen soll, haben sechs Männer aus den oberen Etagen des Senders entschieden. Ich hätte mir gewünscht, dass in dem Gremium auch Frauen eine Meinung und eine Stimme hätten haben dürfen. Halbe-halbe, drei Männer, drei Frauen. Ich glaube, die Sendung hätte eine veritable Chance auf Fortsetzung gehabt. Kann man als Spekulation abtun, als stille Hoffnung. Aber einen Versuch wäre es wert gewesen.
Das könnte ich als Beispiel für unterschiedliche Stärken bei Medienmännern und Medienfrauen nennen. Ich sage lieber nichts. Oder besser was Unverfängliches. Rette mich in Weisheiten von vorgestern:
Für mich gilt immer noch der Satz, der mich in den Siebzigerjahren so beeindruckt hat, als die Frauen anfingen, ungestüm, weil noch ungeübt, Stärke zu zeigen: Eine Frau muss doppelt so gut sein wie ein Mann, um die Hälfte der Anerkennung zu bekommen.
Hast Du ein Erfolgsrezept?
Nein. Wenn ich eines hätte, würde mir kein Interview, keine Sendung mehr danebengehen. Ich bin davon überzeugt, dass das Gelingen einer Sendung von der Chemie zwischen den Menschen, die daran beteiligt sind, abhängt. Es ist wie im richtigen Leben. Manchmal stimmt die Chemie und man hat bei wildfremden Menschen das Gefühl, das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Dann wird es Grimme-Preis-verdächtig.
Zweite Variante: Es geht ganz gut. Man kommt miteinander klar, aber näher kommt man einander nicht. Auch in Ordnung.
Die Variante drei ist eine von mir gefürchtete. Die Chemie stimmt überhaupt nicht. Ich will mir das aber auf keinen Fall anmerken lassen, sondern freundlich und zugewandt weiterfragen. In solchen Fällen wünschte ich mir, ich hätte ein Rezept für den Erfolg. Eines, das mich daran hindert, den anderen ungeduldig zu bedrängen, weil ich unbedingt etwas erfahren will. Er/sie aber dichtmacht. In dem Rezept müsste auch stehen, wie ich es schaffe, mir meinen Ärger und meinen Frust nicht anmerken zu lassen, wie ich es schaffe, weiterhin eine gute Miene zu einem blöden Spiel zu machen.
Blicken wir doch mal auf gut vierzig Jahre zurück. Christine Westermann startet ihren Berufsweg. Was für eine Christine Westermann sehen wir da?
Eine Fünfzehnjährige, die bei ihrer Heimatzeitung, dem »Mannheimer Morgen«, Sonntagsdienste macht. Mädchen für alles ist. Kuchen aus der Bäckerei holt, Faxe von einer Redaktion in die andere trägt, Kaffee kocht, schmutzige Tassen spült, Farbbänder in Schreibmaschinen wechselt, die Zeitungen von gestern zum Mülleimer bringt.
Stand für Dich als Kind schon fest, dass Du Journalistin werden möchtest?
Nein, aus mir hätte, wäre es nach meinem Vater gegangen, eine Lehrerin werden sollen. Ich war sehr gut in Deutsch. Beim Abitur habe ich den besten Deutschaufsatz der Schule geschrieben. Man darf dann eigentlich auch die Abiturientenrede halten. Ich durfte nicht, weil ich in Mathe als Abinote eine Fünf bekam. Keine Chance. Eine Fünf im Abschlusszeugnis und dann in der Aula vor dem Kollegium und allen Schülern große Reden schwingen? Ausgeschlossen.
»Na, wahrscheinlich war dieser Aufsatz auch nicht so toll, sonst hätten sie doch sicher eine Ausnahme von der Regel gemacht, oder nicht?«, zischt mir der unsichtbare alte Bekannte zu.
Ich hole schon Luft, weil ich sein Sprachrohr bin, weil ich genau seinen Einwand jetzt noch unbedingt hinzufügen will, gepaart mit dem wenig eleganten Zusatz: »Wissen Sie, vielleicht überschätze ich mich oft auch ein bisschen …«, ich klappe den Mund auf, glücklicherweise ist mein Kollege, der mir gegenübersitzt, schneller.
Wie bist Du in den Journalismus gekommen?
Durch meine Mutter, sie war Sekretärin bei der Zeitung und hat mir den Laufjob für die Wochenenden besorgt.
Ich überlege blitzschnell, ob ich noch erzählen soll, dass ein Zeitungskollege schon vorher auf mich aufmerksam geworden war, durch einen Leserbrief. Als es die ersten Proteste und Unruhen Mitte der Sechzigerjahre gegen die Notstandsgesetze gab, erst an den Universitäten und dann auch an den Gymnasien, kamen Politiker an die Schulen, um in der Aula vor versammelter Schülerschaft zu erklären, dass doch alles nur halb so schlimm sei und sich keiner fürchten müsse vor Pressezensur oder Einschränkung der Redefreiheit, des Versammlungsrechtes.
Das drohe wirklich nur, wenn Notstand herrsche, und der sei sicher auch nur kurz, schließlich lebten wir in einer Demokratie und da sei ein Missbrauch der Gesetze praktisch
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