Da geht noch was: Mit 65 in die Kurve (German Edition)
einer Kamera respektive vor einem Mikrofon. Und in meiner bereits Jahrzehnte währenden Spielzeit hat man mich insgesamt dreimal ganz aus der Mannschaft genommen. Rausgeworfen. Ich musste den Verein wechseln. Leider hat der jeweilige Trainer das ohne Vorwarnung gemacht, ohne ein klärendes Gespräch. Ich habe es erst aus dem Dienstplan erfahren, in dem ich nicht mehr auftauchte.
Was machen gute Fußballspieler nach solch einem bösen Foul? Aufstehen und beherzt weiterspielen. Bei mehr als zwanzigtausend Spielen in mehr als vierzig Jahren erklären einen die Sportjournalisten schnell zur Legende. Oder zum Urgestein. Was noch schlimmer wäre. Ein Urgestein kommt verwittert daher und Legenden sind meist schon tot. Oder kurz davor.
Meine Position in der Medienlandschaft? Ehrlich gesagt, keine Ahnung. Habe ich mir noch nie Gedanken drum gemacht. Ist mir nicht so wichtig, wo ich stehe. Es kommt doch darauf an, was man dort, wo man steht, macht. Ich bemühe mich, es gut zu machen.
Hab ich das jetzt wirklich gesagt?
Boah, das ist ja noch wirrer dahergefaselt als das, was der gemeine Politiker so an Worthülsen fallen lässt. Wäre ich jetzt Moderator, würde ich eine Menge unternehmen, um diese Frau zu einer klaren, einer wahrhaftigen, persönlichen Antwort zu nötigen. Abwarten, der Abend hat ja gerade erst angefangen.
Müssen Frauen in den Medien besonders stark sein? Stärker als Männer?
Stark? Was heißt das? Für einen Mann möglicherweise etwas völlig anderes als für eine Frau. Dieselbe Eigenschaft wird bei Männer und Frauen noch immer unterschiedlich beurteilt. Wenn sie Dinge tun oder sagen, die den anderen gegen den Strich gehen, gelten Frauen als zickig. Hat schon mal jemand von einem zickigen Mann gehört? Für Männer gibt es nicht mal ein vergleichbares Wort. Einen Mann mit Durchsetzungskraft würde man höchstens, und das auch schon halb anerkennend, ehrgeizig nennen, oder?
Eine Frau ist emotional. Und ein Mann? Der ist sensibel. Ein Wort, das ihn sofort vom Makel des überbordenden Gefühls befreit. Sensibel. Da besteht Hoffnung, dass der Verstand noch mitmacht. Bei emotional spricht nur das Herz.
Könnte ich jetzt sagen, aber ich rette mich lieber in Belanglosigkeit.
Wenn Stärke bedeutet, eine klare Meinung zu vertreten, entschlossen und entschieden zu sein, dann sind Frauen den Männern sicher ebenbürtig. Wenn Stärke allerdings meint, Emotionenzu verstecken, tough zu sein, obwohl die Nerven blank liegen, haben Frauen die schlechteren Karten. Manchmal brauchen sie ihre Kraft vor allem dazu, Gefühle nicht offenzulegen. Wer offen zeigt, wie er sich fühlt, gilt als schwach.
Na ja, nicht gerade das Gelbe vom Ei. Wäre ich an der Stelle des Moderators, würde ich nachhaken, wissen wollen, warum die starke Frau das glaubt.
Die Frau würde ihm dann von einer Sendung erzählen, die sie mal bei einem Sender für das Sommerprogramm gemacht hat. Im Sommer traut sich das Fernsehen was, da werden Piloten produziert, Sendungen, bei denen man, theoretisch, erst mal was ausprobieren darf. Praktisch entscheidet am Ende aber doch die Quote.
Bei der Sendung saßen fünf Leute um einen Tisch. Worüber man miteinander reden würde, war noch nicht klar. Das stand auf zwölf Karten, die verdeckt auf dem Tisch lagen. Jeweils zwei passten zusammen, genau wie bei Memory, die Gäste deckten nacheinander auf, wer das erste Paar gleichlautender Begriffe fand, hatte damit das Thema der Sendung bestimmt. Nur das und kein anderes.
Sendelänge fünfundvierzig Minuten.
Fünfundvierzig Minuten nur über die Lüge reden, zum Beispiel. Oder die Leidenschaft. Den Reichtum. Den Zweifel. Stolz. Nähe. Sinnlichkeit. Himmel. Sünde. Mut. Mitleid.
Es war eine unglaubliche Spannung in jenen sechs Sendungen. Jeder der prominenten Gäste hat sich geöffnet, viel preisgegeben, konnte sich dem Sog der Gespräche nicht entziehen. Wollte es auch nicht.
Kein Film wurde beworben, keine neue CD , kein neuer Roman hochgehalten. Es ging ums Leben, um das eigene und um das der anderen. Fünf Menschen saßen um einen Küchentisch, haben von sich erzählt, von ihren Stärken, ihren Schwächen. Keiner hat sich seiner Gefühle geschämt. Es war fröhlich, auch laut, hin und wieder unerwartet still. Sie haben bei manchen Antworten gezögert, die prominenten Gäste, blieben ganz stumm, haben sicher auch geschwindelt. Aber allen war anzumerken, dass sie das Fernsehen, die Kameras vergessen hatten. Ganz bei sich waren.
Als die Frage anstand, ob
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