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Da geht noch was: Mit 65 in die Kurve (German Edition)

Da geht noch was: Mit 65 in die Kurve (German Edition)

Titel: Da geht noch was: Mit 65 in die Kurve (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Westermann
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die ich kenne, bleibe stehen, um Anschluss zu finden, habe augenblicklich das Gefühl, mich irgendwo reinzudrängen, zu stören.

    Ich gucke auf die Uhr, in der Hoffnung, schon gehen zu können. Ausgeschlossen, ich bin noch nicht mal eine halbe Stunde hier.
    Ein bekannter Fernsehmann schubst mich an, entschuldigt sich freundlichst.
    »Oh, sorry. Ach hallo, wie geht es denn?«
    Würde ich ihm jetzt die Wahrheit sagen, hätten wir wenigstens ein Gesprächsthema.
    »Wissen Sie, mir geht es gar nicht gut. Ich fühle mich vollkommen fehl am Platz. Mir fällt es schwer, mich über nichts zu unterhalten.«
    »Wirklich? Sind Sie da ganz sicher, dass Sie das nicht können? Sie brauchen doch nur ein bisschen Aufmerksamkeit, Interesse für den Menschen, der vor Ihnen steht.«
    »Da haben Sie recht. Ist ja auch das Geheimnis eines guten Interviews. Im Fernsehen kann ich das, aber hier, im richtigen Leben, will mir das nicht gelingen. Was ist denn Ihr Trick, wie fangen Sie ein Gespräch an?«
    »Keine Ahnung, es kommt ganz auf mein Gegenüber an. Aber einen Trick gibt es ganz sicher nicht. Ich finde es schön, mit Menschen in Kontakt zu kommen, die man noch nicht kennt. Sich zu unterhalten, eine gute Zeit zu haben, finden Sie nicht?«
    »Ehrliche Antwort?«
    »Natürlich!«
    »Nein.«
     
    Der Dialog hat so leider nie stattgefunden, ich hätte ihn gern fortgesetzt, um zu lernen, zu begreifen, wie man wildfremde Menschen in ein unterhaltsames Sieben-Minuten-Gespräch verwickelt.

    Der freundliche Fernsehmann verabschiedet sich mit dem perfekten Small-Talk-Ende.
    »Viel Vergnügen noch!«
    Wann aber wäre es ein Vergnügen für mich? Was müsste an die Stelle der kleinen Unterhaltung treten? Etwas Größeres? Statt der abgenutzten »Wie geht es«-Floskel, die nur an der Oberfläche wabert, etwas Tiefergehendes? Oder vielleicht tatsächlich nur etwas Naheliegendes? Vielleicht ein Anfang, mit dem man versucht, ein wenig ehrliche Nähe zu jemandem zu finden, den man noch nicht kennt?
    Vielleicht:
    »Wie war Ihr Tag heute?«
    »Danke, gut.«
    »Was hat Ihnen richtig Freude gemacht?«
    »…«
    »Und worauf hätten Sie gut verzichten können?«
    »…«
    »Wenn Sie jetzt nicht hier wären, wo wären Sie dann am liebsten?«
    Ist das zu nahe? Zu dicht dran?
    Ich für meinen Teil hätte große Lust, ein Gespräch so anzufangen. Hören, wer da vor mir steht, was ihn freut, was ihn bedrückt.
    Ich würde auf solche Fragen gern antworten.
    Vielleicht finden ja sogar genau jetzt diese Gespräche statt?
     
    Ich sehe ein bekanntes Gesicht. Der Mensch, der dazugehört, sieht mich auch. Es kommt zum unvermeidlichen »Wiegehtes?« Nach zwei Gläsern Wein habe ich mich leicht entkrampft, wir brummeln über alles. Und nichts. Das Nichts scheint gerade weniger schlimm zusein als noch am Anfang des Abends. Macht das der Alkohol?
    Ganz netter Mensch, denke ich, netter Mann? Wäre sicher auch ein guter Gast für die Sendung. Ich traue mich spontan, sie platzt geradezu aus mir heraus, die Frage, ob er Lust hat, zu »Zimmer frei« zu kommen. Der Blick, mit dem er mich bedenkt, zeigt Überraschung, vielleicht sogar leichten Unmut.
    »Ich war doch schon da, vor drei Jahren im Herbst.«
    Bingo.
    Ich beschließe, mich erst mal zurückzuziehen und zu sortieren.
    Ich gehe auf die Toilette. Vor dem Waschbecken sind vier Frauen damit beschäftigt, eine andere wieder auf die Füße zu stellen. Sie hängt kreidebleich über dem Waschbecken, die Freundinnen improvisieren Erste Hilfe mit nasskalten Taschentüchern.
    Ich gehe in die Kabine, klappe die Klobrille runter, schinde Zeit, lasse mich vom Stimmengemurmel, von ferner Musik und stetem Wasserrauschen hinwegtragen. Als ich plötzlich eine Männerstimme höre, verlasse ich mein Zufluchtsörtchen, kehre in die Wirklichkeit zurück und sehe einen Rettungssanitäter, der sich um die junge Frau kümmert, die jetzt lang ausgestreckt auf dem Fliesenboden liegt. Der Small Talk, den die beiden zuwege bringen, ist jedenfalls bemerkenswert:
    »Wie geht es Ihnen?«
    »Schlecht.«
    »Ich gebe Ihnen ein Kreislaufmittel.«
    »Muss ich jetzt sterben?«
    »Nein, heute nicht.«
     

    Ich gehe in die lärmende Menge zurück, sehe einen Schauspieler, den ich aus dem Fernsehen kenne, aus meiner eigenen Sendung. Endlich mal einen, mit dem man Gesprächsstoff hat, ist der Gedanke, der meiner sehr herzlichen, aber auch irgendwie einseitigen Umarmung vorauseilt.
    »Schön, Sie wiederzusehen. Ich erinnere mich noch immer gern an die

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