Da geht noch was: Mit 65 in die Kurve (German Edition)
Taschendurchleuchter am Flughafen bei meinem Anblick gegenseitig anschubsen, freundlich grüßen und nach kurzer Überlegung auch gleich mit dem Namen jener Sendung bei der Hand sind, in der sie die prominente Kundschaft zuletzt gesehen haben.
»›Fenster auf‹ machen Sie doch, oder? Finde ich gut, weiter so.«
Wie das mit der Karriere geht, wollen die Businessfrauen wissen. Was man tun muss, was man besser lässt, wo man anecken kann, wie viele Niederlagen es einzustecken gilt, wann es sich zu kämpfen lohnt. Was sie lernen können. Von einer starken Frau wie mir. Starke Frauen in den Medien, das ist der Titel, den sie ihrer Veranstaltung gegeben haben. Ich bin sehr entschlossen, ihnen nicht den Mut zu nehmen. Was ich täte, würde ich ihnen erzählen, dass Karriere in dem von mir geplanten Leben nicht vorgesehen war. Ich liebe meinen Beruf, wollte nie einen anderen haben. Aber mit achtzehn bedeutete die Arbeit bei der Zeitung für mich vor allem eins: das Tor zur Welt. Zu Hause ausziehen, genug Geld verdienen, reisen, viel sehen. Dass mich meine berufliche Passion mal zum Radio und ins Fernsehen bringen könnte, daran habe ich nicht einen einzigen Gedanken verschwendet. Das Volontariat bei der Münchner Journalistenschule hat mich zum Fernsehen geführt, zur »Drehscheibe« des ZDF , es hat sich so ergeben, schön gefügt, ich freue mich darüber. Karriereplanung sieht anders aus.
Ich hatte keinen Plan, kein Ziel. Damals, vor mehr als vierzig Jahren, habe ich das gemacht, was mir heute eher schwerfällt. Ich habe den Tag gelebt, den Augenblick festgehalten. Und war guten Mutes, nie ängstlich.
Und jetzt sitze ich hier als starke Frau. Mit einem Freund und Kollegen, der die Moderation übernommen hat. Ich bin gespannt, was passiert. Was er wissen will, ob wir uns die Bälle zuwerfen werden. Ich mag es, in Talkshows zu sitzen. Als Gast. Wenn ich mal nicht die Fragen stellen muss und stattdessen beobachten kann, wie andere mit ihrem Handwerkskasten umgehen, sich ihrem Interviewpartner nähern. Es macht mir immer noch und immer wieder Spaß, mir bei denen etwas abzugucken, die es auch gut können. Ich bin neugierig, was einem Mann zu einer starken Frau einfallen wird.
Siehst Du Dich selbst als starke Frau?
Kommt auf meine Tagesform an, will ich spontan sagen. Suboptimale Antwort. Aus eigener Talkshowerfahrung weiß ich, dass die Antwort nicht wie aus der Pistole geschossen kommen muss. Aber auch wenn ich sichtbar zögere, mehr als das mit der Tagesform fälltmir nicht ein. Meine aktuelle Tagesform ist gerade so lala.
Ich fühle mich zwar geschmeichelt, als starke Frau eingeladen zu sein, aber wenn ich all die dezent geschminkten Frauen beobachte, fein gestylt mit Ohrstecker und Pashmina-Schal, wer weiß, was sie mit ihrer sehr präsenten Art schon alles erreicht haben, vielleicht sollten wir die Plätze tauschen. Sieh da, der gute alte Bekannte ist auch mitgekommen, der mir sein vertrautes »Du bist nicht gut genug« ins Ohr flötet. Unsichtbar für alle anderen, fast körperlich spürbar für mich.
Ich rede ihm und mir gut zu. Guck doch mal, das muss man auch erst mal können, hier oben zu sitzen, sehr gelassen, keine Spur von Nervosität, kein Lampenfieber, ich bin völlig entspannt, wie im Fernsehen. Ist doch auch ein Zeichen von Stärke, oder nicht?
»Ich bitte Dich«, säuselt er mich von der Seite an, »das kann man ja wohl nach vierzig Jahren Fernsehen von Dir auch erwarten, oder? Nach so langer Zeit kann das jeder.« Vermutlich hat er recht.
Also, was sage ich jetzt? Bin ich eine starke Frau?
Das kommt ganz auf meine Tagesform an. Jetzt gerade fühle ich mich wohl, freue mich, hier zu sein, bin gespannt auf diesen Abend. Und empfinde es als großes Kompliment, als Lob, mich dank Ihrer Einladung in der Kategorie »Starke Frauen« wiederzufinden.
Was ist denn jetzt passiert, wo kommt das Süßholz her, das ich gerade raspele? Höflichkeit kann nicht schaden, aber eine Antwort auf die Frage ist das nicht.
Wie würdest Du Deine Position in der deutschen Medienlandschaft beschreiben?
Habe ich eine Position? Wo stehe ich? Eher am Rande, in der Mitte, allmählich am Ende? Habe ich mir schon jemals über meine Position Gedanken gemacht? Wäre ich ein Fußballspieler, könnte ich mich leichter einordnen, in die Fußballlandschaft. Bei einem guten Spieler zählt die Liga, in der er spielt, und wie oft er aufgestellt wurde.
Meiner Schätzung nach wurde ich mehr als zwanzigtausendmal aufgestellt, vor
Weitere Kostenlose Bücher