Da Vincis Fälle Doppelband 1 und 2 (German Edition)
feindliche Kriegsschiffe von dort angreifen konnten. Außerdem hatte es ihm noch nie eingeleuchtet, weshalb Vögel und Insekten mit Leichtigkeit fliegen konnten, während der Mensch an die Erde gebunden war. Immer wieder überlegte sich Leonardo Flugmaschinen. Eine Zeitlang hatte er dafür die Flügel von Vögeln und Insekten untersucht, denn er glaubte, dass man eine Flugmaschine am besten der Natur nachbauen sollte. Carlo kam zwischendurch für eine Weile vorbei. Er sah Leonardo bewundernd zu, wie dieser ein fantastisches Gebilde nach dem anderen auf das Papier zauberte. Maschinen, die auf den ersten Blick ungeheuer kompliziert waren und die Leonardo dann außerdem noch mit einer winzigen Handschrift beschriftete. „So gut bin ich im Zeichnen leider noch nicht, dass man so erkennen könnte, was es ist!“, meinte er.
„Aber schon ziemlich gut!“, fand Carlo. „Jedenfalls viel besser, als ich das könnte!“
„Ich verrate dir ein Geheimnis“, erklärte Leonardo. „In jede dieser Zeichnungen baue ich einen Fehler ein. Wenn sie in unbefugte Hände geraten und jemand versucht, meine Ideen nachzubauen, ohne mich zu fragen, dann funktioniert die Maschine nicht!“
„Raffiniert!“, staunte Carlo.
„Ich habe gehört, dass man das in vielen Werkstätten so macht!“
Auf die Dauer wurde es Carlo allerdings zu langweilig, Leonardo bei der Entstehung seiner Ideen zuzusehen und so ging er schließlich wieder nach Hause.
Am späten Nachmittag kam Ser Piero zu Großvaters Haus geritten. Er führte ein zweites Pferd am Zügel mit sich. Das musste das Tier sein, von dem er gesprochen hatte. Leonardo hörte, wie er vor dem Haus mit Großvater sprach. Dieser war nicht sonderlich begeistert davon, das Pferd in Pflege nehmen zu müssen. Und vor allem fand er es wohl nicht gut, dass Ser Piero ihm vorher nichts gesagt hatte.
„Es ist nur für eine gewisse Zeit“, sagte Ser Piero. „Wenn der Gutsbesitzer Gabriele di Stefano sein Pfand nicht auslösen kann, werde ich einen Käufer dafür suchen! Aber so lange soll der Junge darauf reiten, wenn er will. Und du kannst es natürlich auch benutzen, Vater!“
„Mein Rücken hält das Reiten leider nicht mehr aus!“, wandte Großvater ein. „Was glaubst du wohl, warum ich selbst kein Pferd mehr habe?“
„Aber deinen Sattel, den könnte Leonardo doch nehmen.“
„Sicher.“
„Es wird sowieso bald alles ganz anders“, meinte Ser Piero zum Schluss noch und berichtete dann von seinen jüngsten geschäftlichen Erfolgen und davon, dass er neuerdings für die Familie Medici arbeitete.
Großvater seufzte. „Ach, Junge“ - er nannte Ser Piero immer noch Junge, obwohl Leonardos Vater ein Mann von 35 Jahren war –
„ich wünsche dir ja von Herzen, das deine Wünsche in Erfüllung gehen, aber…“
„Diesmal wird es geschehen!“, versprach Ser Piero. Und dann rief er nach seinem Sohn. „Leonardo! Komm herunter! Lass uns ein Stück reiten!“
Das Pferd wurde gesattelt und Leonardo ritt mit seinem Vater etwas in der Umgebung von Vinci herum. Es war eine Weile her, dass Leonardo zum letzten Mal auf einem Pferd gesessen hatte, er gewöhnte sich schnell wieder daran.
„Wir könnten meine Mutter besuchen“, sagte der Junge. „Das ist doch nicht weit!“
„Ich habe im Prinzip nichts dagegen“, sagte Ser Piero. „Catarina und ich sind nicht verfeindet, weil sich unsere Wege vor langer Zeit getrennt haben. Aber ihr Mann mag mich nicht besonders. Und da ist es vielleicht besser, wenn wir uns ein anderes Ziel suchen.“
Leonardo musste schmunzeln. „Das hätten wir also gemeinsam. Mich mag er nämlich auch nicht besonders“, meinte er. Das war auch der Grund gewesen, warum Leonardo nicht bei seiner Mutter Catarina hatte bleiben können. Fünf Jahre war er gewesen, als sie geheiratet hatte und Leonardo daraufhin zu seinem Großvater gekommen war.
Vor Einbruch der Dunkelheit kehrten sie zurück und Ser Piero zeigte ihm, wie man das Sattelzeug abnahm und das Pferd versorgte. Das hatte er zwar alles schon einmal getan, aber Ser Piero wollte sichergehen, dass Leonardo alles richtig machte. „Stell dir vor, Gabriele di Stefano schafft es doch noch, sein Pfand auszulösen und das Pferd ist wegen falscher Behandlung eingegangen, dann stehe ich da und muss ein Pferd ersetzen“, meinte er scherzend dazu. „Aber es die ganze Zeit im Stall stehen zu lassen ist auch schädlich für das Tier, du kannst es also mit gutem Gewissen reiten, so lang es in unserem Besitz
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