Da Vincis Fälle Doppelband 1 und 2 (German Edition)
abgefeuert, sodass die Pferde völlig von Sinnen waren.“
Was eine Arkebuse war, davon hatte Leonardo schon gehört. Mann nannte dieses Gewehr auch Hakenbüchse, weil ein Metallhaken eine brennende Lunte an das Pulver brachte, dass dann explodierte und die Kugel durch den Lauf schoss. Feuerwaffen fanden immer mehr Verbreitung – und das auch deshalb, weil sie relativ leicht zu bedienen waren und man nicht erst jahrelang üben musste wie bei Langbogen oder der Armbrust.
„Diese Männer scheinen ja so gut ausgerüstet zu sein wie die Soldaten der Stadtwache von Florenz!“, stellte Leonardo fest. „Auch ihre Schwerter und Armbrüste! Die Gesichter dieser Banditen konnte ich ja nicht sehen, aber von ihrer Ausrüstung her waren das nicht irgendwelche dahergelaufenen Lumpen!“
„Du hast recht“, gab Luca zu. „Und um ehrlich zu sein, ich vermute, dass hinter meiner Entführung irgendein geschäftlicher Konkurrent meines Vaters steht. Ein anderes Handelshaus vielleicht, dass die Familie di Gioia aus dem Geschäft drängen will!“
„Du meinst, diese Verbrecher haben im Auftrag gehandelt?“
„Ja. Sieh mal, mein Vater hätte das Lösegeld sofort bezahlt. Wenn das ein paar normale Wegelagerer wären, befände ich mich doch längst auf freiem Fuß und die Banditen über alle Berge. Aber diese Männer warten. Sie wollen den Preis in die Höhe treiben und meinen Vater damit ruinieren. Das denke ich jedenfalls.“
Carlo meldete sich nun zu Wort. „Macht sich hier eigentlich auch noch mal jemand Gedanken darüber, wie wir aus dem Loch kommen?“
„Wenn du eine gute Idee hast, Carlo – dann bitte!“, gab Leonardo zurück.
Es dauerte noch eine Weile, bis schließlich einer der Entführer am Rand der Grube auftauchte und etwas zu essen hinunterließ. Es war wieder Brot und Wasser und paar Weintrauben. Der Käse fehlte diesmal. Leonardo nahm an, dass einer der Kerle ihn für sich genommen hatte.
Aber da allen drei Jungen der Magen knurrte, teilten sie das Brot auf und aßen es bis zum letzten Bissen. Selbst Luca war diesmal nicht so wählerisch.
Das Wasser schmeckte frischer als am vorhergehenden Tag. Zeitweise hörten sie während des Tages ein paar Bruchstücke aus der Unterhaltung der Männer. Dann knallte etwas. Mehrere Schüsse donnerten.
„Die ballern jetzt aus purer Langeweile mit ihrer Arkebuse herum!“, meinte Luca. „Aber das bedeutet, dass ihr Anführer nicht da ist, denn vor zwei Tagen hat er sie deswegen schon mal angeschimpft.“
„Meinst du, das hört man in Vinci?“, fragte Carlo. Leonardo zuckte mit den Schultern. „Schon möglich, aber man wird wahrscheinlich wohl glauben, dass der Schuss von einem Jäger verursacht wurde!“, erwiderte Leonardo.
Die zweite Nacht kam Leonardo noch schrecklicher als die erste vor. Als das Rascheln der Fledermausflügel wieder begann, wusste er, dass er es einfach nicht länger hier aushalten konnte. Leise waren die Stimmen der Entführer zu hören, die offenbar am Lagerfeuer saßen und miteinander redeten.
„Hört zu, wir sollten nicht warten, bis die ganze Bande wieder vollzählig ist oder sich die Maskierten überlegt haben, dass sich zumindest das Lösegeld für Carlo und mich nicht lohnt!“
„Und was schlägst du vor?“, fragte Luca spöttisch. „Willst du dir Flügel wachsen lassen wie eine Fledermaus, um dann aus dieser Grube herauszuschweben.“
„Eines Tages werde ich eine Apparatur erfinden, die so etwas kann“, erwiderte Leonardo mit einem ärgerlichen Unterton. „Aber im Augenblick müssen wir uns wohl etwas einfacherer Mittel bedienen.“
„Und welcher? Ich sehe hier nichts, womit man diese rutschige Dreckwand empor klettern könnte. Meinst du, ich hätte mir nicht auch schon den Kopf darüber zerbrochen? Und wenn du jetzt damit ankommst, dass wir Stufen graben könnten oder so. Vergiss es! Das habe ich schon versucht, ohne, dass es irgendeinen Erfolg hatte außer Dreck an den Händen! Und ein paar Schrammen.“
„Ich brauche eure Hemden“, sagte Leonardo mit Bestimmtheit.
„Und einen Schuh – und zwar einen von deinen Carlo, denn die sind schwerer als diese zarten Mädchenschuhe, die unser Freund Luca so gerne trägt!“
„Haha, sehr witzig!“, erwiderte Luca beleidigt und Leonardo ärgerte sich darüber, dass er bei der Dunkelheit das Gesicht seines Gegenübers so gut wie überhaupt nicht sehen konnte.
„Was hast du vor?“, fragte Carlo.
„Ich will unsere drei Hemden zusammenbinden. Ans Ende kommt dann der
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