Da Vincis Fälle Doppelband 1 und 2 (German Edition)
wahrscheinlich große Sorgen um seinen Enkel machte. Einmal war Leonardo über Nacht weggewesen. Vor ein paar Wochen war er zusammen mit Carlo auf der Stute Marcella nach Florenz geritten und erst am späten Abend des nächsten Tages zurückgekehrt. Ein Riesenärger war die Folge gewesen und Leonardo hatte Großvater versprechen müssen, so etwas nie wieder zu tun.
Wahrscheinlich wird er denken, dass er gar nicht nach mir suchen braucht, weil ich nicht in Not bin, sondern nur wieder irgendeinen Unfug mache!, ging es Leonardo dann durch den Kopf. Ein Gedanke, der ihn traurig machte.
Auch wenn es ihm zunächst völlig unmöglich erschien, zu schlafen, so nickte Leonardo schließlich doch vor lauter Erschöpfung ein.
Selbst das unheimliche Rascheln der Fledermäuse, das durch den Schlag von unzähligen Flügeln entstand, und ihn eigentlich sehr gruselte, hinderte ihn schließlich nicht mehr daran, die Augen zu schließen.
Wirre Träume suchten ihn in der Nacht heim.
Träume, an die er sich nicht mehr erinnern konnte, als er aufwachte und von denen er dann nur noch wusste, dass sie schrecklich gewesen waren. In dem Moment, da er die Augen wieder öffnete, vergaß er sie bereits und konnte sich kaum noch an Einzelheiten erinnern.
Ist vielleicht auch besser so!, überlegte er.
Es war die Helligkeit, die ihn weckte.
So empfand er jetzt bereits das wenige Licht, das am Tag durch den Höhleneingang bis in die Grube drang.
Die beiden anderen Jungen schliefen noch und Leonardo hatte auch nicht vor, sie zu wecken.
Er stand auf, rieb sich die Hände und Arme und bewegte sich etwas. Seine Arme und Beine waren durch die Kälte steifgefroren. Dann lauschte Leonardo.
Von den Fledermäusen war jetzt weder etwas zu hören noch zu sehen. Sie hatten sich in die zahllosen kleinen Nischen und Winkel in dieser Höhle zurückgezogen, um vermutlich am nächsten Abend nach Einbruch der Dunkelheit wieder hervorzukommen und auf ihre nächtliche Jagd nach Kleintieren zu gehen.
Unter anderen Umständen hätten ihn diese so eigenartig aussehenden Wesen sehr interessiert. Im Dachboden seines Großvaters nisteten einige Abendsegler, die er hin und wieder zu beobachten versuchte, was gar nicht so einfach war, denn sie scheuten die Helligkeit, während Leonardo genau darauf angewiesen war, um überhaupt etwas sehen zu können. Wie die Fledermäuse es schafften, bei Dunkelheit zu fliegen und offenbar dabei doch nicht dauernd gegen irgendwelche Hindernisse zu prallen, hatte er sich schon immer gefragt und kein Erwachsener, bei dem er sich danach erkundigt hatte, war in der Lage gewesen, ihm darauf eine Antwort zu geben, mit der er zufrieden gewesen wäre.
Davon abgesehen interessierten ihn auch die lederhäutigen Flügel dieser Geschöpfe, die ganz anders aussahen als die gefiederten Flügel von Vögeln. Leonardo fragte sich, welche Art von Flügeln besser war, um sie bei der Konstruktion einer Flugmaschine möglichst naturgetreu nachzubauen: Die Flügel von Vögeln, die von Fledermäusen oder vielleicht doch besser die von Insekten, die sich leider so schnell bewegten, dass man sie eigentlich gar nicht richtig in Aktion sehen konnte.
Einer Weile lauschte Leonardo den Vogelstimmen, die von draußen in die Höhle drangen.
Er hörte allerdings, so sehr er sich auch anstrengte, keine Männerstimmen sprechen. Vermutlich schliefen die Banditen noch, die als Wächter zurückgelassen worden waren.
Es dauerte eine Weile, bis Carlo und Luca ebenfalls erwachten.
„Ist die ganze Bande verschwunden und hat uns hier allein zurückgelassen?“, wandte sich Leonardo an Luca.
Aber dieser schüttelte den Kopf. „Nein, das glaube ich nicht. Obwohl sie das natürlich tun könnten, schließlich haben wir keine Chance, aus diesem Loch herauszukommen. Aber in den letzten Tagen tauchte immer jemand auf, um mir etwas zu essen zu bringen. Und zwischendurch hörte man auch Stimmen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Wer weiß, vielleicht sind sie auch nur mal kurz zu einem Bach gegangen, um sich zu waschen und frisches Wasser zu holen.“
„Wie war das, als du entführt wurdest?“, erkundigte sich Leonardo.
„Erzähl mir davon.“
„Ich sollte mit einer Kutsche zu meinem Onkel Maurizio nach Pisa gebracht werden, um dort ein paar Wochen zu bleiben“, berichtete Luca. „Aber schon kurz nachdem wir die Mauern von Florenz nicht mehr sehen konnten, kam ein Trupp maskierter Reiter aus dem Wald und hat uns überfallen. Einer von ihnen hat eine Arkebuse
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