Da Vincis Fälle Doppelband 1 und 2 (German Edition)
gefunden?“, fragte Carlo.
„Einfach immer die Wand entlang. Und das ist auch genau der Weg, den du nehmen musst, Leonardo. Einfach die Wand entlang. Dann brauchst di auch nichts zu sehen. Aber du musst etwas aufpassen, damit du nicht stolperst – also bitte nicht zu schnell!
Manchmal liegt da irgendetwas auf dem Boden.“
„Wo komme ich dann an?“, fragte Leonardo.
„Am Flussufer des Arno. Dies ist der Beginn eines Abwasserkanals. Der stammt noch aus der Zeit der Römer.“
Der Arno – das war der Fluss, der mitten durch Florenz floss.
„Abwasser?“, fragte Leonardo. Sehen konnte er nicht viel, aber da er auch keine nassen Füße hatte, wunderte er sich, wo hier wohl Wasser sein mochte.
„Der Kanal ist nicht in Betrieb“, sagte Luca.
„Warum eigentlich nicht? Es ist doch eine tolle Idee, eine Verbindung zum Fluss zu haben, sodass man alles Schmutzwasser einfach dorthin laufen lassen kann. So etwas Tolles gibt es bei uns in Vinci jedenfalls nicht!“
„Ja, eine tolle Erfindung ist das!“, sagte Luca, aber das meinte er nicht wirklich ernst. „Alle paar Jahre hat der Arno Hochwasser. Dann drückt das Wasser herein und kommt aus dem Fluss in unser Haus anstatt umgekehrt! Aber jetzt ist noch Sommer, da besteht keine Gefahr.“
Leonardo wandte sich an Carlo. „Willst du vielleicht mitkommen?“
Ein paar Mäuse quiekten in der Dunkelheit.
„Nein danke, Leonardo. Ich glaube, das wäre nichts für mich.“
„Gut, dann sorgt ihr beide dafür, dass niemandem auffällt, dass ich weg bin! Bis nachher!“
„Bis nachher Leonardo!“, sagten Carlo und Luca wie aus einem Mund.
„Und wünscht mir Glück!“, forderte Leonardo.
Leonardo tastete sich durch die Dunkelheit. Was hätte er jetzt für eine brennende Kerze gegeben! Meter für Meter, Schritt für Schritt arbeitete er sich voran. Es ging bergab. Der Kanalgang hatte so viel Gefälle, dass das Wasser ablaufen konnte. Leonardo dachte darüber nach, dass er in Zukunft vielleicht einmal keine Maschine, sondern eine Stadt entwerfen würde. Eine Stadt, deren Häuser vielen Menschen Platz boten und in dem ein System von Leitungen dafür sorgte, dass Wasser in die Häuser geleitet wurde. Man brauchte dann nicht mehr Wasser holen.
Wenn man das Wasser benutzt hatte, floss es wieder in den Fluss –
und zwar ein Stück stromabwärts.
Das ist es!, dachte Leonardo.
Er fand es sehr seltsam, dass die Römer, die doch vor langer Zeit gelebt hatten, schon Kanäle besaßen während sie in der Zwischenzeit aus der Mode gekommen zu sein schienen.
War es möglich, dass gute Ideen einfach im Verlauf der Jahrhunderte wieder vergessen wurden?
Vorsichtig tastete sich weiter.
Schließlich machte der Gang eine Biegung und am Ende tauchte ein Licht auf. Das war der Ausgang. Endlich!, dachte Leonardo. Immerhin konnte er jetzt sehen, wo er hinlaufen musste. Ein Geräusch, das ihn schon eine ganze Weile begleitet hatte, erfüllte nun das Gewölbe. Es war das Rauschen des Flusses, der durch Florenz zog und dann irgendwann viel später in das ligurische Meer mündete.
Leonardo war froh, als er endlich den Ausgang erreichte. Das Tageslicht blendete ihn. Er ging ins Freie und stieg die Böschung am Fluss empor. Der Arno hatte im Moment wenig Wasser. Das Ufer war sehr breit und das letzte Stück sogar sumpfig, weil es erst vor kurzem ausgetrocknet war.
Als Leonardo die Böschung erklommen hatte, sah er sich um. Jetzt war er mitten in Florenz. Einige der vornehmen Damen und Herren, die in ihrer edlen Garderobe am Flussufer entlang spazierten, sahen ihn etwas überrascht an und wunderten sich, woher er so plötzlich aufgetaucht war.
Jetzt musste er sich nur noch zu dem Wirtshaus durchfragen, das Ricardo erwähnt hatte.
Es dauerte Stunden, bis er Antonios Taverne schließlich in einer schmalen Seitengasse gefunden hatte. Immer wieder war er von den Leuten, die er gefragt hatte, auf falsche Wege geschickt worden, weil sie selbst nicht richtig Bescheid wussten.
Aber nun stand er vor jenem Wirtshaus, das Ricardo erwähnt hatte. Tatsächlich sah Leonardo einen Mann mit der Schärpe der Stadtwache eintreten.
Offenbar stimmte es und hier trafen sich diejenigen, die in der Wache dienten oder früher einmal dazu gehört hatten. Leonardo überlegte, was er tun sollte. Einfach in das Gasthaus gehen und sich nach dem Mann mit der Narbe erkundigen? Wenn er dort gewesen war, würde sich auch jemand an ihn erinnern. Daran hatte Leonardo keinen Zweifel, schließlich war er mit
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