Da Vincis Fälle Doppelband 1 und 2 (German Edition)
sehe!“
„Nein, danke“, sagte Leonardo. „Das ist wirklich nicht nötig. Wisst Ihr zufällig, für wen Bartolo zurzeit arbeitet?“
Der alte Mann verzog das Gesicht. „Er hat davon erzählt. Ich glaube, er hat eine Anstellung im Haus des Kaufmanns Enrico Scirea
– aber warum fragst du ihn nicht selbst?“
„Nein, nein… Ich muss jetzt auch weiter.“
„So warte doch! Wir haben ja gerade erst angefangen, uns zu unterhalten!“
Aber Leonardo war nicht zu halten. Er ließ den alten Mann stehen und verschwand hinter der nächsten Hausecke, von wo er den Eingangsbereich von Antonios Taverne noch besser beobachten konnte.
Der alte Mann zuckte mit den Schultern. „Diese Jugend!“, grummelte er vor sich hin und trat in das Gasthaus. Leonardo wartete ab. Enrico Scirea, diesen Namen musste er sich merken. Wenn er dort eine Stellung hatte, konnte Leonardo im Haus dieses Kaufmanns wieder finden, falls er Bartolo aus den Augen verlor.
Es dauerte nicht lange und Bartolo kam aus dem Wirtshaus. Er blickte sich um, so als suchte er jemanden. Leonardo streckte gerade den Kopf hinter der Mauer hervor. Für einen kurzen Moment begegneten sich ihre Blicke.
Bartolo starrte Leonardo an, als hätte er einen Geist vor sich. Die Hand des Söldners ging unwillkürlich zum Schwertgriff. Leonardo schluckte und war für einen Moment wie erstarrt. Sie hatten sich gegenseitig wiedererkannt. Das stand für den Jungen jetzt fest. Bartolo kam mit weiten Schritten auf ihn zu. Ein Ruck ging durch Leonardo. Er rannte davon, flüchtete in eine Hausnische und öffnete die Tür. Innen herrschte Halbdunkel. Aus den anderen Räumen des Hauses waren Stimmen zu hören. Leonardo versteckte sich unter der Treppe. Dort war es dunkel. Er saß im Schatten und wartete ab. Nur wenig später waren von draußen schnelle Schritte zu hören. Die Tür öffnete sich. Leonardo sah Lederstiefel über den Boden schreiten. Lederstiefel und die Spitze eines Schwertes.
„Hoher Herr, was wünscht Ihr?“, fragte eine Frauenstimme von der anderen Seite des Flures.
„Es ist nichts“, sagte Bartolo. „Ich habe mich offenbar in der Tür geirrt!“
Leonardo sah, wie die Stiefel davon schritten. Die Tür öffnete sich und schloss sich wieder. Anschließend war zu hören, wie die Frau den Flur auch wieder verließ und in die Küche ging, wo sie jemand fragte, was denn los sei.
Leonardo kam aus seinem Versteck. Er schlich zur Tür, öffnete sie einen Spalt.
Der Mann mit der Narbe war nicht mehr zu sehen.
Leonardo ging ins Freie. Er kehrte zu jener Gasse zurück, in der sich Antonios Taverne befand, schaute vorsichtig um die Ecke. Da war er! Bartolo ging die Straße entlang und Leonardo entschloss sich, ihm zu folgen.
Er hielt Abstand und blieb gerade so dicht an dem Mann mit der Narbe dran, dass er ihn nicht verlor. Kreuz und quer ging es durch enge Gassen und über eine breite Straße, auf der viel Betrieb herrschte.
Schließlich erreichte Bartolo eine Kirche. Die Tür war verschlossen. Bartolo schlug mit der Faust dagegen, dass es schepperte.
Es dauerte eine Weile, bis die Tür von innen aufgeschlossen wurde. Ein Priester steckte den Kopf durch den Türspalt.
„Warum haltet Ihr das Haus des Herrn verschlossen, Pater Rigoberto?“, fragte Bartolo.
„Es war nur für einen kurzen Moment, in dem ich mich voll der Kunst der Wandmalerei widmete!“, erwiderte der Pater. Leonardo versteckte sich hinter ganz in der Nähe hinter einem Pferdewagen, der vorübergehend am Straßenrand abgestellt worden war, um ihn zu beladen.
„Solltet Ihr Euch nicht lieber der Fürsorge für Eure Mitmenschen widmen anstatt der Malerei?“, fragte Bartolo.
„Normalerweise ist das kein Gegensatz“, sagte der Pater. „Ich habe die Kirche nur deshalb abgeschlossen, weil ich an einer sehr kritischen Stelle in meinen Bild bin und jeder falsche Pinselstrich alles verderben würde. Wenn als jemand unvermutet hereinkäme und ich würde mich erschrecken…“
„Schon gut, schon gut“, schnitt ihm Bartolo das Wort ab. „Ich möchte meine Sünden beichten.“
„Seid Ihr nicht eigentlich erst morgen wieder dran, wenn man nach Euren normalen Rhythmus geht?“
„Ich halte es nicht mehr aus, Pater Rigoberto. Ich habe schwer gesündigt und es scheint so, als würden mich die Gesichter derer, denen ich geschadet habe, schon wie Geister verfolgen!“
Die Gesichtszüge des Paters wurden jetzt sehr ernst. „Dann wird es wohl tatsächlich Zeit für Euch. So kommt herein. Der Dienst
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