Dabei und doch nicht mittendrin
und religiöser Inhalte in der Minderheitensituation), müsste diese darüber hinaus auch mit Gruppen und Entwicklungen in den Herkunftsländern verglichen werden. Es müsste also eine stärkere Islamisierung auch in den Herkunftsländern der Muslime zu beobachten sein.
Argument »Selbstbewusstsein«
: Denkbar ist aber auch, dass die Behauptung einer stärkeren Islamisierung aus der kritischen Deutung des wachsenden Einflusses und des gewachsenen Selbstbewusstseins von muslimischen Migranten in den Aufnahmeländern resultiert. Möglicherweise bestanden die religiösen Neigungen auch bei der Ankunft, wurden jedoch aufgrund der zu Beginn der Migration geringen rechtlich-politischen und sozialen Einflussnahme, des geringen Organisationsgrads von Muslimen eher unterdrückt. Das gegenwärtig eher offensive Eintreten für die eigene Religion ist insofern ein Zeichen, dass dieses Land nun auch zur Heimat der Muslime geworden ist, Gleichheitsgrundsätze verinnerlicht worden sind und deshalb Rechte gefordert werden, die lange eher als ein Privileg der Einheimischen betrachtet wurden, so etwa nach der Einführung eines islamischen Religionsunterrichts.
Argument »Alterskonservatismus«
: Weltweit ist zu beobachten, dass Menschen im Alter vermehrt konservative, Sicherheit und Halt versprechende Orientierungen, wie etwa Religiosität, bevorzugen. Davon sind muslimische Migranten nichtausgeschlossen. Insofern ist anzunehmen, dass Migranten aus islamischen Herkunftsländern, denen lange Zeit religiöse Bindungen nicht wichtig waren, im fortschreitenden Alter einen stärkeren Hang zu Religiosität entwickeln. Diese erlangt dadurch mit der Zeit eine größere gesellschaftliche Sichtbarkeit.
Diese kurzen Ausführungen zeigen, wie schwierig es ist, methodisch das Konstrukt der Islamisierung oder Re-Islamisierung der Gesellschaft auf empirisch gesicherter Basis zu diskutieren. Dennoch lassen sich, ohne jeweils das Konstrukt selbst zu hinterfragen, folgende Deutungen und Erklärungen finden:
1.
Reaktionshypothese
: Re-Islamisierung kann als ein direkter Reflex auf die Ausgrenzungstendenzen und verweigerten Identitätsangebote in der Mehrheitsgesellschaft verstanden werden. 88 Diese Lücke füllen muslimische Migranten durch eine kosmopolitisch-religiöse Identität, die zugleich die Grenzen einer ethnisch definierten Identität (so etwa das Selbstverständnis als »Türke«) überschreitet.
2.
Modernisierungshypothese
: Re-Islamisierung gilt als eine Folge der Erosion der sozialen Zusammenhänge im kapitalistischen Modernisierungsprozess. Sie stellt damit eine Suche nach neuen Verbindlichkeiten, Gewissheiten und Sinngebungen dar.
3.
Geopolitische Hypothese
: Re-Islamisierung wird in einem größeren politischen und transnationalen Kontext betrachtet und auf die wachsende Bedeutung islamischer Staaten in der Welt zurückgeführt. Diese seien nun bestrebt, ihren ideologischreligiösen Einfluss in Deutschland durch finanzielle und propagandistische Mittel geltend zu machen. 89
Islamischer Religionsunterricht als Mittel der Integration?
Von Muslimen wird immer wieder die Forderung nach einem islamischen Religionsunterricht erhoben. Dieser wird sowohl mit einem religiösen Anspruch als auch mit einer integrationspolitischen Perspektive begründet: Doch was spricht dafür und was möglicherweise dagegen?
Zunächst ist die Installation eines islamischen Religionsunterrichts unter folgenden Aspekten zu befürworten:
1. Muslimische Schüler könnten sich gleichberechtigt beziehungsweise auf Augenhöhe mit den evangelischen oder katholischen Schülern fühlen; sie werden nicht ausgegrenzt, wenn diese am Religionsunterricht teilnehmen.
2. Sie können durch diesen Unterricht eine religiöse Mündigkeit erlangen und die Inhalte der eigenen Religion in interreligiösen Diskussionen offen vortragen.
3. Durch den Religionsunterricht erfahren deutsche Schüler viel mehr von ihren muslimischen Mitschülern. Das hilft, Vorurteile über den Islam abzubauen.
4. Durch die schulische Anknüpfung an die religiöse Orientierung der Eltern wird für die Schüler zugleich auch ein Verstehen von deren Lebenswelt gewährleistet und damit eine Möglichkeit der intellektuellen Auseinandersetzung mit der eigenen Tradition geschaffen.
5. Bei einer Gestaltung des Religionsunterrichts auf Deutsch könnten Schüler mit muslimischem Hintergrund als Nebeneffekt ihre Deutschkompetenzen fördern.
6. Nicht zuletzt ist daran zu erinnern, dass mit diesem Schritt,
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