Dackelblick
Bett?«
Carolin steht vor mir und wedelt tadelnd mit dem Zeigefinger. Beschämt gucke ich zu Boden. Wie soll ich ihr auch erklären, was genau ich suche? Ich weiß es schließlich selbst nicht. Ich weiß nur, dass ich eben etwas sehr Seltsames entdeckt habe.
»Hunde gehören nicht ins Bett, Herkules. Du hast ein sehr komfortables Körbchen, und da bleibst du bitte, wenn du schlafen möchtest. Auf dem Sofa kannst du ruhig mit mir sitzen, aber ins Bett darfst du nicht. Thomas war neulich schon echt sauer auf dich, und ich habe ihm versprochen, dich ein bisschen besser zu erziehen. Ich will doch, dass ihr Freunde werdet. Und so klappt das nicht!«
Jetzt sieht Carolin richtig traurig aus. Mist. Ich klappe die Ohren an und hüpfe vom Bett. War eine blöde Idee mit dem Schlafzimmer. Und schlauer bin ich jetzt auch nicht.
»Nun guck nicht so traurig. Ab und zu muss eben auch ein so süßer Hund wie du noch etwas lernen. Und jetzt komm - dein Fresschen ist bestimmt schon fertig.«
Das lasse ich mir natürlich nicht zweimal sagen und sause gleich los in die Küche. Carolin nimmt den Napf aus dem Kühlschrank, rührt einmal um und setzt ihn mir dann vor die Nase. Hm, lecker. So eine ordentliche Portion Herz, und der größte Kummer ist schnell vergessen.
Zurück in der Werkstatt schlafe ich erst einmal ein Stündchen. Daniel hat mir aus einer alten Kiste und einem Kissen ein Zweitkörbchen gebastelt - sehr umsichtig, der Mann. Ich werde wach, weil ich das Gefühl habe, dass irgendjemand Herrn Beck foltert. Jedenfalls dringen ganz grauenhafte Töne an mein Ohr. Sehr hoch und schrill, ein elendes Gejaule. Ich springe aus der Kiste und laufe in Richtung des Geräuschs. Dort, in einem der vorderen Räume, steht Carolin und hält etwas auf dem Arm. Allerdings nicht Herrn Beck, sondern einen der kleinen Holzkästen, die überall in der Werkstatt herumzuliegen scheinen. Komisch sehen die aus. Es gibt sie in verschiedenen Größen, sie sind nicht eckig, sondern rund, und zwar so, als ob man zwei Kreise aneinandergeklebt hätte. Außerdem haben sie einen langen Hals. Und auf diesem Hals haut Carolin gerade mit dem Stock mit den Haaren herum. Besser gesagt, sie streicht darauf herum. Was dem Kästchen anscheinend wehtut, denn aus ihm kommt daraufhin das furchtbare Geräusch.
Brrr, da gefriert einem ja das Blut in den Adern! Ich kann nicht anders, ich fange an zu heulen. Erst zaghaft, dann richtig laut. Carolin lässt das Kästchen sinken, Daniel kommt ins Zimmer gelaufen. Er sieht mich, wie ich noch ein letztes Mal kräftig losheule, dann bricht er in schallendes Gelächter aus.
»Ach herrje, sag bloß, Herkules mag keine Musik! Na, da bist du ja bei uns genau an der richtigen Adresse!«
Musik? Das, bitte, soll Musik sein? Das ist doch wohl nicht euer Ernst! Ich kenne Musik schon von Schloss Eschersbach. Im Salon stand nicht nur mein Lieblingssofa, sondern auch ein sogenanntes Klavier. Von Eschersbach spielte dort manchmal, und das war auch nichts, was ich mir persönlich ausgesucht hätte, aber längst nicht so schlimm wie das eben Gehörte. Und wenn ich mit Emilia zum Einkaufen fahren durfte, dann spielte das Auto Musik, natürlich auch viel zu laut, aber ansonsten eigentlich ganz schön - mit einem klaren Rhythmus und ganz schnell. Aber das hier gerade war doch einfach nur furchtbar. Und so schrill. Im Leben war das keine Musik. Ich schüttle energisch den Kopf.
Carolin und Daniel schauen sich etwas ratlos an.
»Vielleicht sind ihm die Töne zu hoch? Hol doch mal das Cello, passt ihm vielleicht besser als die Violine?«
Daniel trabt los und kommt mit einem der größeren Kästchen wieder. Aha, dieses Ding trägt also den schönen Namen. Na, Hoffentlich klingt es auch ein bisschen danach. Daniel setzt sich auf einen Stuhl und klemmt sich das Cello zwischen die Beine. Auch er nimmt den Stock zur Hand. Dann bewegt er ihn langsam hin und her. Tatsächlich, auch hier kommen Töne heraus. Und sie klingen wirklich deutlich besser. Ich grunze zufrieden und lege mich vor Daniel, den Kopf auf meine Vorderläufe.
»Okay, Herkules ist nicht der Typ für Geige. Aber generell scheint er nichts gegen Musik zu haben«, stellt Carolin fest. »Dann muss er wohl immer einen kleinen Spaziergang im Garten machen, wenn wir hier die Geigen stimmen. Schade, dabei ist Violine so ein tolles Instrument.«
»Wer weiß, wie das für Hundeohren klingt. Wahrscheinlich hört er noch irgendwelche Schwingungen, die wir gar nicht mitbekommen. Es gibt
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