Dackelblick
es zuzugeben, aber er war gar nicht in dem Käfig, als ich ihn gejagt habe.«
Ich schaue Beck mit großen Augen an.
»Ja, ich weiß, was du denkst. Aber es ist so: Der blöde Vogel war nicht in dem Käfig. Ich bin heute Morgen in den Garten spaziert. Als ich den Käfig auf dem Tisch stehen sah, dachte ich, das ist meine Chance. Also ich rauf und gleich rein in den Bauer. Schnappe mir den Kameraden, beiße zu - und habe das blöde Plastikteil da unten im Maul. Verstehst du? Die alte Meyer hat nur den Käfig draußen saubermachen wollen und ihn deswegen rausgestellt. Der Vogel war gar nicht drin, sondern nur sein Plastikfreund.«
»Bitte? Du hast was? Du hast allen Ernstes den Plastikkameraden da unten erlegt?« Ich pruste laut los. »Das kann doch nicht wahr sein! Wie kann man das Teil denn mit einem echten Vogel verwechseln? Dafür muss man doch komplett blind sein, ha ha!« Ich rolle mich vor Vergnügen auf dem Rasen hin und her.
»Na, das Plastikteil sieht schon aus wie ein echter Vogel«, wendet Beck eingeschnappt ein.
»Ja, es sieht vielleicht entfernt so aus. Aber es
riecht
doch ganz anders!«
Beck schweigt. Offensichtlich ist mein neuer Freund schwer getroffen von meiner Schadenfreude. Gut, vielleicht sollte ich es nicht übertreiben.
»Hey, tut mir leid. Ich wollte mich nicht über dich lustig machen. Ich konnte mir nur nicht vorstellen, wie das passiert ist.«
Betrübt schaut mich Beck an. »Ich kann dir genau sagen, wie das passiert ist: Ich bin eben mittlerweile ein verdammt alter Kater, der nicht mehr die besten Augen und schon gar nicht mehr die beste Nase hat. So ist das passiert. Dass ein Jungspund wie du sich das nicht vorstellen kann, ist völlig klar.«
O je, da ist jemand gerade ziemlich geknickt. Ist aber auch eine blöde Geschichte: einen Käfig ohne Beute entern und dann nicht mehr allein rauskommen. Ich versuche, ihn ein bisschen aufzumuntern.
»Ach komm, dafür kannst du viele Sachen, von denen ich keine Ahnung habe.«
»Ja, was denn zum Beispiel?«
Trübsinnig starrt Beck vor sich hin. Ich überlege kurz. Aber wirklich nur kurz, denn sofort fällt mir etwas ein, um das ich ihn wirklich beneide.
»Na, du hast es doch eben selbst schon gesagt. Du kennst die Menschen gut. Du verstehst sie, auch wenn sie gerade völlig seltsame Dinge tun. Ich glaube, ich werde sie nie begreifen.«
Offensichtlich war das genau das richtige Beispiel, denn jetzt lächelt Herr Beck wieder und gibt mir einen Stups in die Seite.
»Kleiner, da hast du Recht. Ich kenne die Menschen wirklich gut. Aber ich mache dir einen Vorschlag: Jetzt, wo wir Freunde sind, werde ich dir auch helfen. Ich werde dir helfen, die Menschen zu verstehen.«
SECHS
Irgendetwas hinter meinem rechten Ohr juckt ganz furchtbar. Vor ungefähr drei Tagen fing es an, seitdem ist es jeden Tag ein bisschen schlimmer geworden. Leider erreiche ich diese Stelle nicht mit meiner Zunge, und jedes Mal, wenn ich mit meiner Pfote kratze, kommt zu dem Jucken noch ein ziehender Schmerz hinzu. Mist. Ich will nicht wehleidig erscheinen, aber das ist langsam mehr als unangenehm. Mir kommt die Idee, mich am Türrahmen zu scheuern. Der ist leicht abgerundet, vielleicht funktioniert das besser als mit meinen Krallen.
»Herkules, was machst du denn da?« Carolin biegt um die Ecke und geht vor mir in die Hocke. Ich scheure weiter und gebe ein kurzes Jaulen von mir. Sie zieht mich vom Rahmen weg und nimmt mich auf den Schoß.
»Irgendetwas stimmt doch da nicht, mein Kleiner. Tut dir dein Öhrchen weh?« Sie streichelt mir über den Kopf. Dann fährt sie über mein rechtes Ohr, und ich zucke zusammen. »Tatsächlich, da hast du einen kleinen Knubbel.« Sie fasst nun genau an die schmerzende Stelle, ich jaule laut auf.
»Daniel, kannst du mal kommen? Ich brauche deinen fachmännischen Rat. Herkules hat hier so einen Knoten am Ohr, und der scheint ihm auch wehzutun.«
Daniel steckt den Kopf aus seinem Zimmer. »Ich komme gleich, muss hier nur noch kurz was zu Ende machen.«
Hoffentlich kann Daniel mir helfen, denn je länger ich darüber nachdenke, umso mehr schmerzt das Ohr. Mittlerweile ist das Jucken auch fast völlig einem durchgehenden Pochen gewichen. Ich lege die Schnauze auf meine Vorderläufe und fiepe ein bisschen vor mich hin. Kann ja nicht schaden, wenn die Menschen wissen, wie schlecht es mir geht.
»So, Herkules, dann lass mich mal sehen.«
Daniel beugt sich über mich und schiebt ganz sachte mein rechtes Ohr nach vorne. Ich fiepe noch
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