Dackelblick
dass sie für den gemeinsamen Kochabend mit Daniel ein Blumenmuster wählt. Wenn ich Herrn Beck richtig verstanden habe, ist das doch ein klares Frauenmuster. Ich kombiniere: Carolin will eindeutig wie eine Frau aussehen. Ein gutes Zeichen! Ich setze mich vor sie und wedele mit meiner Rute.
»Aha, das gefällt dir also? Sehr schön, dann lasse ich es an. Und Haare offen lassen oder hochstecken?«
Mit einer geschickten Handbewegung dreht sie ihre langen Haare schnell nach oben und hält sie auf dem Kopf zu einem Knoten. Ich knurre kurz. Offen ist viel schöner - da sieht man die Haare doch viel besser, und kein Hund käme jemals auf die Idee, sein schönes Fell zu verstecken. Erst recht nicht, wenn es so seidig glänzt wie das Haar von Carolin. Da kann ein Rauhaardackel-Spross wie ich doch nur neidisch sein. In dieser Beziehung ist Carolin ein echter Setter, oder mehr noch: ein Golden Retriever. Sie lässt die Haare wieder nach unten fallen.
»Verstehe, offen. Tja, das sieht vielleicht besser aus, ist aber zum Kochen ein bisschen unpraktisch.«
Ich lege den Kopf schief. Ne, offen ist viel schöner!
»Okay, wie wäre denn ein Kompromiss: Beim Kochen stecke ich sie hoch, dann mache ich sie wieder auf. Genau. Gute Idee. Danke, Herkules!«
Bitte, gerne. Ich freue mich, wenn ich helfen kann.
Gut gelaunt läuft Carolin durch die Wohnung und räumt Sachen hin und her. Sie deckt den Tisch, öffnet wieder eine dieser grässlichen Flaschen und gießt den Inhalt mit Schwung in eine andere, größere und rundlichere Flasche. Ein Schwung roter Flüssigkeit landet in dem Gefäß. Sieht ganz hübsch aus, aber was das soll, ist mir schleierhaft. Ich habe es allerdings auch schon das ein oder andere Mal beim alten Eschersbach beobachtet. Vielleicht ein Ritual? Ein Zauber? Für einen gelungenen Abend? Als Dackel bin ich nicht besonders abergläubisch, aber wenn es heute hilft, soll es mir recht sein. Es wäre zu schön, Becks dummen Gesichtsausdruck zu sehen, wenn ich ihm erzählen könnte, dass Carolin und Daniel doch ein Paar geworden sind.
Es klingelt an der Tür. Das ist bestimmt Daniel. Mann, bin ich aufgeregt! Carolin anscheinend auch, denn sie stürzt zur Tür, legt aber dann eine Vollbremsung vor dem Spiegel rechts daneben hin und mustert sich noch einmal kritisch, bevor sie aufmacht. Erwartungsvoll hefte ich mich an ihre Fersen und gebe das unterstützende Empfangskomitee. Carolin reißt die Tür auf, ich mache Männchen - es ist Nina. Och nö! Was will die denn hier?
»Was willst du denn hier?«
»Das nenn ich mal einen herzlichen Empfang! Danke, mir geht es auch gut, und ich komme gerne rein.«
»Du, das passt mir eigentlich gerade nicht so gut.«
»Hm, ich sehe schon. Du bist für deine Verhältnisse ja regelrecht aufgebrezelt. Wer kommt denn?«
»Daniel. Wir wollen etwas kochen.«
»Ach so, Daniel. Dann kann ich doch wohl einen Moment bleiben. Ich dachte, du hättest ein Date.«
Carolin seufzt, dann tritt sie einen Schritt zur Seite. »Was gibt's denn so Dringendes?«
»Ich glaube, Marc Wagner ist doch nicht so mein Fall.«
»Aha. Wie kommt es denn zu diesem plötzlichen Sinneswandel?«
»Hm, erklär ich dir gleich. Kann ich ein Glas haben?« Sie deutet auf die bauchige Glasflasche, in die Carolin eben die andere Flasche gegossen hat. »Ich muss erst mal was trinken. Mein gestriger Abend war eine echte Pleite.«
»Ja, aber eigentlich wollte ich wirklich ...«
»Danke, das kann ich jetzt gut gebrauchen.« Nina holt sich ein Glas aus dem Schrank, schenkt sich ein und schnuppert kurz an dem roten Zeug. »Hm, lecker, das ist ja ein edler Tropfen. Gibt's irgendetwas Besonderes zu feiern? Wieder irgendeine Hunderttausend-Euro-Geige für Aurora ersteigert?«
»Nein, ich wollte einfach nur nett mit Daniel kochen und ein Glas Wein trinken.« Carolin wirft Nina einen bösen Blick zu, was die aber nicht sehen kann, weil sie zu sehr mit ihrem Glas beschäftigt ist.
»Na, da habt ihr ja Glück, dass ich spontan dazustoße, sonst würdet ihr doch den ganzen Abend wieder nur über den Job reden.«
Ich merke Carolin an, dass sie dazu gerne etwas sagen würde, aber in diesem Moment klingelt es schon wieder an der Tür. Daniel.
»Wow, Carolin, du siehst toll aus!« Er begrüßt sie mit einem Küsschen auf ihre linke und rechte Wange. Das habe ich vorher noch nie bei den beiden gesehen - ich wusste doch, dass meine Theorie richtig ist. Dann sieht er Nina. »Oh, hallo, wusste gar nicht, dass du auch da bist.« Er
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