Dackelblick
Danke! Ich bin Marc.«
Carolin nickt. »Ich weiß.«
Sie lachen beide - etwas schüchtern, wie ich finde.
»Gehen Sie, äh, gehst du schon vor ins Wohnzimmer? Es ist gleich gegenüber der Eingangstür. Ich ziehe mir nur schnell etwas anderes an.«
»Von mir aus nicht nötig - ich finde, du siehst bezaubernd aus.«
Carolin lacht verlegen. »Na gut, wenn du mich in Jeans und Schlabberpulli erträgst, dann bleibe ich so.« »Sehr gerne, kein Problem.«
Und anstatt dass sich Wagner seinen blöden Koffer schnappt und sich verkrümelt, sitzt er keine zwei Minuten später auf unserer Wohnzimmercouch. Schlecht gelaunt lege ich mich direkt davor und beobachte, wie Carolin zwei Gläser aus dem Schrank holt. Sie ist einfach zu nett. Warum hat sie Wagner nicht fahren lassen? Stattdessen geht jetzt wieder diese »Weintrinken-Geschichte« los. Ich sage es wirklich nur ungern - aber manchmal sind Menschen einfach uferlos langweilig. Zum Beispiel beim Weintrinken: Gleich wird Carolin wieder die eine in die andere Flasche gießen. Dann werden sie das Zeug von der zweiten Flasche in zwei Gläser füllen. Wenn ich Glück habe, trinken sie dann einfach schnell aus, und wir sind Dr. Wagner bald los. Diese Entwicklung ist leider extrem unwahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher ist, dass die beiden eine Ewigkeit auf dem Sofa sitzen und über die Dinge schwadronieren, die im Leben angeblich wichtig sind. Stichwort: reden statt machen. Wäre Dr. Wagner Nina, ginge es dann fast nur um Männer. Das wäre für mich wenigstens einigermaßen interessant, denn vielleicht würde ich noch etwas über Daniels Chancen bei Carolin erfahren. Aber mit Wagner redet sie wahrscheinlich eher über das andere Thema, das Menschen so gerne beschäftigt: die Arbeit. Oder auch beliebt: vergangene Zeiten. Gähn. Oder auch ein Favorit: die Kombination aus beidem. Arbeit und Vergangenheit. Allein die Frage, wer gerne was als Kind geworden wäre und warum das dann nicht geklappt hat, füllt locker eine Stunde. Es ist mir unbegreiflich, wie man sich so ausgiebig mit Dingen befassen kann, die nicht mehr zu ändern sind. Aber darin sind Menschen ohnehin wahre Meister. Was wäre wenn? Eine Frage, die sich kein vernünftiger Hund jemals stellen würde. Anders gesagt:
Weintrinken
ist offenbar ein Synonym für eine besonders ineffiziente Methode, einen Abend totzuschlagen, wenn man, wie die meisten Menschen, einfach zu bequem ist, eine ordentliche Runde durch den nächsten Park zu rennen.
Ich seufze innerlich und lege den Kopf auf meine Vorderläufe. Während die Stimmen von Carolin und Wagner zu einem leichten Hintergrundrauschen verschwimmen, überlege ich, wie ich die Sache mit Daniel dingfest machen kann. Könnte ich die beiden irgendwie in eine Art Hinterhalt locken, so dass sie endlich einmal allein sind? Dann ergibt sich der Rest vielleicht von selbst. Aber wie?
Ich muss dringend wieder mit Herrn Beck konferieren. Katzen sind ja als Meisterstrategen bekannt, und er hat bestimmt eine Idee, wie das gehen könnte. Es ist schon tragisch - erst neulich waren die beiden so nah dran! Wenn Nina nicht gekommen wäre, könnten sie schon längst ein Paar sein. Aber seit diesem Abend haben sich Daniel und Carolin kaum gesehen, nur kurz in der Werkstatt, und fast immer waren irgendwelche Kunden dabei. So wird das natürlich nichts. Denn eine Sache habe ich mittlerweile gelernt, auch ohne Unterricht von Herrn Beck: Was die Paarung anbelangt, scheinen Menschen eine wirklich scheue Gattung zu sein. Jedenfalls verflüchtigt sich diese prickelnde Spannung zwischen Daniel und Carolin sofort, wenn andere Menschen dazukommen. Im Park habe ich die gleiche Beobachtung gemacht: Die Pärchen, die sich küssen, stehen meist ein wenig abseits oder sitzen auf einer Bank, auf der sonst niemand ist. In Autos küssen sich Menschen gerne, im Supermarkt fast nie. Im Frühstückscafe, in dem Carolin und Nina sich oft treffen und das immer bis auf den letzten Platz voll ist: Fehlanzeige in puncto knutschende Paare. Vielleicht mal ein Küsschen hier oder da, aber definitiv nichts, was nach echter Paarung aussieht, so wie Beck und ich es damals bei Thomas und der anderen Frau beobachtet haben. Da sind wir Hunde schon deutlich forscher. Ein Dackelrüde, der auf der anderen Straßenseite seine Herzensdame entdeckt, wird sich jedenfalls durch ein paar Spaziergänger von nichts abhalten lassen. Seltsam eigentlich. Schließlich neigt der Mensch an sich nicht gerade zur Schüchternheit.
Mittlerweile
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