Dackelblick
bemerkt zu haben. Stattdessen gelte ich jetzt als gewaltbereiter Dackel. Und noch etwas anderes stört mich ganz gewaltig: Carolin soll sich keinen Freund suchen. Denn wir haben doch schon den idealen Kandidaten gefunden. Eben Daniel. Diese Nina geht mir langsam gewaltig auf den Zeiger: Erst stört sie das traute Tête-à-tête mit Daniel, und jetzt will sie Carolin noch den doofen Jens aufschwatzen. Unmöglich! Die soll sich lieber mal um ihr eigenes Liebesleben kümmern, da hat sie genug zu tun.
Ich beschließe, mich beim Projekt »Jens« querzustellen. Nun habe ich ihn schon gebissen, da werden wir sowieso keine engen Freunde mehr werden. Sollte er noch einmal aufkreuzen, werde ich ihn einfach anpinkeln. Und das ist wörtlich zu nehmen.
SECHZEHN
Wenn Frauen sehr lange vor ihrem Kleiderschrank stehen, immer wieder ein Teil herausnehmen, es sich an den Körper halten und dann vor den Spiegel gehen, um sich so zu betrachten, dann hat das aus Dackelsicht etwas enorm Komisches. Gut, ich weiß mittlerweile, dass sich Menschen je nach Anlass gewissermaßen ein anderes Fell zulegen - aber nach welchen Kriterien die Fellwahl erfolgt, ist mir immer noch rätselhaft. Warum gestern ein geblümtes Kleid und morgen eine schwarze Hose? Und apropos Kleid: Auch die Länge scheint hier eine entscheidende Rolle zu spielen. Denn gerade jetzt legt Carolin drei schwarze Kleider nebeneinander auf ihr Bett, die eigentlich völlig gleich aussehen. Nur, dass sie eben unterschiedlich lang sind. Schweigend betrachtet sie die Kleider, dann dreht sie sich zu mir um.
»Hm, was meinst du, Herkules? Mini, Midi oder Maxi?« Ich bin ratlos. Natürlich will ich Carolin gerne beraten, denn wenn sie sich heute Abend wieder mit Daniel trifft, soll es endlich klappen mit den beiden. Und ich bin mir sicher, dass ein entscheidender Schritt zum Erfolg gemacht ist, wenn sich Carolin wohl in ihrer Haut beziehungsweise Kleidung fühlt. Die Rocklänge ist allerdings etwas, über das ich mir noch nie im Leben Gedanken gemacht habe. Das wäre bei der Länge meiner eigenen Beine auch ziemlich unsinnig - selbst wenn es Röcke für Dackel gebe, müssten die zwangsläufig immer sehr kurz sein. Was aber will die Frau als solche mit der Länge des Rocks sagen? Ich laufe unsicher vor dem Bett hin und her. Was ist wohl besser, viel Bein zeigen oder wenig? Worauf achten Menschenmänner?
Bei Hunden respektive Dackeln ist das natürlich viel einfacher. Da gibt es den Welthundeverband FCI, und der definiert in seinem Rassestandard Nr. 148/ 13.3.2001 D einen schönen Dackel wie folgt:
Niedrige, kurzläufige, langgestreckte, aber kompakte Gestalt, sehr muskulös mit keck herausfordernder Haltung des Kopfes und aufmerksamem Gesichtsausdruck. Bei einem Bodenabstand von etwa einem Drittel der Widerristhöhe soll die Körperlänge in einem harmonischen Verhältnis zur Widerristhöhestehen, etwa 1 zu 1,8.
Was das Fellkleid des Rauhaardackels anbelangt, so hat der Deutsche Teckelclub von 1888 ganz klare Vorstellungen:
Der Rauhhaarteckel zeigt ein kurzes, dichtes, enganliegendes, drahtiges Deckhaar mit genügend Unterwolle. Am Fang zeigt sich deutlich ein Bart, die Augenbrauen sind buschig. An den Behängen ist die Behaarung kürzer als am Körper, fast glatt. An der Rute entspricht die Behaarung der Körperbehaarung, sie ist eng anliegend behaart und läuft verjüngt aus.
So einfach ist das also bei Dackeln. Woher ich das so genau weiß? Nun, als Mischling musste ich mir auf Schloss Eschersbach oft genug anhören, was bei mir nicht stimmt. Meine Beine sind nämlich eindeutig zu lang, und mein Fell ist zu weich und zu wuschelig für einen echten Rauhaar. Und Opili liebte mich zwar innig, aber seiner Tochter hat er den Seitensprung nie verziehen. Waren doch alle seine bisherigen Enkel immer Champions gewesen.
Aber zurück zur eigentlichen Frage: Wie sieht denn nun der gültige Standard für Menschen aus? Denn dass es einen gibt, da bin ich mir ganz sicher. Es wäre anders kaum zu erklären, warum zum Beispiel Carolin vor jeder Verabredung mit anderen Menschen so einen Zinnober mit ihrer Verkleidung treibt. Das wäre dann ja völlig egal, und sie könnte einfach so los, wie sie nun mal aussieht. Leider kenne ich aber diesen Standard nicht. Denn sonst wusste ich, ob man zum Beispiel so lange Beine, wie Carolin sie hat, eher versteckt oder doch lieber betont. Ich setze mich auf meinen Hintern und mustere Carolin genau. Für meinen Geschmack ist sie ein extrem hübscher
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