DACKELKRIEG - Rouladen und Rap
ging, dann zahlte ihn mein Freund und ich durfte sogar Kuchen bestellen, ohne ein schlechtes Gewissen. In der Wohnung lief einfach so die Heizung, wenn ich fror, ohne dass ich vorher fragen oder meine Möbel anzuzünden musste. Wenn ich stank, durfte ich sein Wasser im Bad benutzen, als würde es mir gehören. Einfach so. Wenn ich Hunger verspührte, dann lag Leberwurst im Kühlschrank, die ich nicht nur angucken, sondern sogar kauen und runterschlucken durfte. Ich machte es uns dafür ziemlich schön in dieser Wohnung und kochte duftende Rindsrouladen mit Rotweinsauce, sorgte dafür dass die Milch nie schlecht wurde und las ihm meine Texte vor. Er schien auf eine intensive und aufrichtige Art an mich,
Yoko Ono
, zu glauben und sein „Du wirst bald Erfolg mit dem haben was du liebst!“ war mehr wert als alles Geld der Welt. Er wirkte auf jeden Fall nicht verrückt und verzerrt, wenn er so etwas sagte und vermutlich auch fest daran glaubte. Deswegen machte ich weiter. Da musste ja was dran sein - an mir.
Dafür ging ich neuerdings professionell für uns einkaufen. Mit einem echten Zettel und Tüten, die extra für Pfandgut oder Tiefkühlprodukte vorgesehen waren. Ich glich mein Karma langsam wieder aus. Ich wusste häufig bereits sieben Tage im Voraus was ich am gleichen Tag in der folgenden Woche kochen und wie es schmecken würde. Daher musste ich auch stets wissen, wo ich mich zu diesem Zeitpunkt aufhalten würde und wie meine exakten Pläne für diesen Tag aussehen würden. Um dies gewährleisten zu können, hatte ich zwei Möglichkeiten: Entweder baute ich mir eine knifflige Zeitmaschine und fuhr entspannt sieben Tage in die Zukunft, schaute mich kurz um und checkte dort aus, wo ich gerade so abhänge, reiste dann zurück zu meiner geilen Einkaufsliste und notierte meinen Plan, oder ich musste ganz andere Register ziehen, damit dieses fragile System nicht aus den Fugen geriet. Also entschied ich mich für die zweite Lösung und gab es vernünftigerweise auf Pläne zu haben – außer Essenspläne – und blieb einfach rund um die Uhr zu Hause. Wenn ich etwas mit Freunden unternehmen wollte, dann musste das genau an dem einen von mir extra zu diesem Zwecke definierten Socialising-Tag geschehen, für den ich dann im Voraus kein Essen eingeplant hatte. Wenn ich dann doch an diesem Tag nicht wegging, weil so etwas wie Antriebslosigkeit oder mangelnde Kleidung dazwischen kam, bestellte ich eben einfach beim Lieferservice. So spontan muss der Mensch erst einmal sein.
Ich sorgte also dafür, dass es uns von seinem Geld gut ging. Der Boden war gestaubsaugt. Die Wäsche duftete nach Weichspüler und der ferngesteuerte Minihubschrauber war immer aufgeladen, wenn mein Freund eine obligatorische Runde um die Katze drehen wollte. Wir würden mit großer Wahrscheinlichkeit nicht verwahrlosen, wenn es so mit mir weitergehen würde, so viel stand fest.
Meine Haupteinnahmequelle stellte in dieser Zeit mit circa zehn Euro monatlich mein
Flattr
-Einkommen dar, bei dem ich allerdings unsicher war, ob ich es dem Finanzamt in der Steuererklärung melden musste oder die Jungs und Mädels vom Amt einfach krass betrügen sollte, weil ich ohnehin nichts mehr zu verlieren hatte, außer meine Jogginghose, und mir erzählt wurde, dass es im Gefängnis gemütliche Pyjamas gab.
Ich war also selbstständig und hatte oft Sex mit dem Chef. Meine Kindheit war ein langweiliger Provinzkrimi und ich hatte keinen Businessplan wie meine ehrgeizige Katze. Ich wusste nicht wohin die Reise, die mir andere finanzierten, weitergehen sollte. Zur Not würde ich mir eben doch diese blöde Zeitmaschine bauen müssen. Aber das wäre ja irgendwie auch gespoilert gewesen und deshalb ließ ich es.
Ich nahm den Hörer ab. „Hallo.“ „Hallo, Mama!“ „Wie geht es dir?“ „Gut. Und Papa und dir?“ „Gut.“ „Was macht das Gewicht!“ „Gut.“ „Und, kommst du mit dem Geld aus?“
Nun gab es zwei Antwortmöglichkeiten: Ehrlichkeit, aber so hatten meine Eltern mich nunmal nicht erzogen. Oder eine Lüge damit es allen besser geht. “Ja, ich hab da was in der Mache und ja, das Geld reicht noch ein bisschen aus.” Alle waren mit dieser Antwort zu fünfzig Prozent zufrieden und wir legten wieder auf, obwohl ein durchschnittlicher Kuchen und ein kleiner Americano in Berlin etwa achtzig Prozent meines wahren Monatseinkommens kosteten. Wow, niemand hatte prozentual jemals mehr Geld seiner Einnahmen für zuckerige Speisen ausgegeben - außer Kinder im
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