DACKELKRIEG - Rouladen und Rap
wie ein japanischer Tentakelporno. Nur in vierfacher Geschwindigkeit und ohne Pause-Button. Und auch ohne geil.
Nun begab es sich aber in der Zeit, in der ich nicht ohne Informationsfluss leben konnte, noch nicht einmal in der Badewanne und auch nicht, wenn mich dieser besondere Spaß achthundert Euro im Jahr für neue Unsmartphones kostete. Ich lag in meinem Wohlfühlbad "Fichte", aß einen Eimer abgelaufenen Eiersalat, ein
Nutellabrot
mit passierter Sucuk, einen tiefgefrorenen Rollbraten und einen Döner vom Vortag, den ich mir in der Mikrowelle in einem Plastiksack aufgewärmt hatte, und war von oben bis unten eingeschäumt mit dem Qualitätsprodukt der Premiummarke
ja!
, so dass niemand meinen optisch nicht gerade sehr ansprechenden Körper, sehr wohl jeder aber mein total süßes Gesicht sehen konnte. In einem kleinen Anflug von Manie und Lebensbejahung, der nur Sekundenbruchteile meine Depression grell durchschnitt, hob ich motiviert den rechten Arm, der bei mir ohnehin durch das Bedienen des Unsmartphones muskulöser ausgeprägt ist als sein linker Gegenspieler, und fotografierte mich und meine ganze Süßheit von oben. Noch nicht einmal von schräg, denn ich habe kein symmetrisches Gesicht und die Mühe konnte ich mir dann ja wohl auch sparen.
Mein Gesicht ist asymmetrisch und entbehrt nahezu jeder Regel. Wo andere Menschen geformte Augenbrauen haben, ist bei mir einfach nur Leere, die Augäpfel sind matt, gelblich verfärbt und unterschiedlich groß. Ich habe einen Silberblick und ziemlich schiefe Zähne. Wenn ich mein Kaugummi in den Hausflur rotze, habe ich immer große Angst, dass mich der gehbehinderte Hausmeister anhand der Kieferabdrücke in der verräterischen Kaumasse als Täter identifizieren könnte und ich Besuch von der Kripo erhalte. Wahrscheinlich hätte ich genau an diesem Tag auch keinen Kuchen im Haus, den ich den netten Herren anbieten könnte, dabei essen Beamte doch so gerne Kuchen, das weiß man einfach, wenn man nicht ganz auf den Kopf gefallen ist.
PLATSCH! Das Handy fiel ins Badewasser und ich fühlte erst einmal zu lange nichts mehr, um irgendwie noch geil performen zu können. Den Schmerz spürte ich erst, als ich einige Minuten später auf meinem Laptop darüber schrieb. „Mein Handy ist in die Badewanne gefallen. Fuck!“ Was folgte waren hämische Worte der Freunde bei
Facebook
. Wie man so doof sein könne? Ich solle mir gefälligst ein neues Handy kaufen und die Schnauze halten. Ja, Danke für nichts! Morgen geht es bestimmt schon wieder.
Das zweite iPhone muss dann ein paar Monate später von dem großen Handtuchberg auf der schleudernden Waschmaschine in mein Badewasser gefallen sein. Ich lernte einfach nichts dazu, bei mir war Bildung vollkommen umsonst investiert. Menschen wie ich sollten einfach nicht baden! Wer sein Handy in der Wanne benutzen will, der muss auch dafür bezahlen. Und manchmal kostet das eben achthundert Euro im Jahr. Die nächste Male badete ich einfach ohne Wasser. Hauptsache die Informationen waren da.
Überleben als Trendsport
Das Telefon klingelte in der spärlich eingerichteten Wohnung, die ich nicht aus modischen Gründen minimal möbliert hatte, sondern weil ich ohne Listen, Systeme und Ordnung verloren gewesen wäre. Ich hatte mehrere To-Do Listen und neigte dazu, mein inneres Chaos mit äußerer Ordnung überzukompensieren. Es sei denn, ich war mal wieder sehr depressiv, dann kam hier alles recht schnell runter und ich ließ in der Nacht den Staubsauger laufen, damit die Nachbarn nicht dachten, ich würde in irgendeiner Weise verwahrlosen
Natürlich hatte ich ein Telefon und selbstverständlich bezahlte mein Freund die monatliche Rechnung für mich oder "uns", wie es plötzlich seit einiger Zeit hieß. Trotz Feminismus und einem unfassbaren Ekel Geschenke anzunehmen, weil man sich damit auch immer etwas verletzlicher und kleiner macht, als man es eigentlich ist, waren diese Geschenke ein Segen, ohne die ich meiner Arbeit als freiberufliche "Irgendwas" nicht hätte nachgehen können. Er übernahm auch die Rechnungen für das Internet und meine Informationssucht. Die
GEZ
, meine Praxisgebühr, die zu dieser Zeit monatlich im vierstelligen Bereich lag, den Katzenstreusack, das Hasenfutter, die unzähligen Rühreier, die ich so liebte, und die leckeren Wurstknabbereien bezahlte er auch, und das war nicht gerade wenig. Er wiederum wurde von
Ashton Kutcher
bezahlt, der somit für unser Fleisch aufkam.
Wenn ich mit Freunden einen Kaffee trinken
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