Diamantenraub
»Jetzt hängt halt nicht wie die Mehlsäcke auf euren Pferden!« Frau Moos klatschte energisch in die Hände. Ihre Schüler schienen heute besonders unkonzentriert zu sein. Keines der Pferde stand korrekt an den Hilfen, und Benny, der kleine rothaarige Junge, der die Abteilung anführte, hatte schon mehrmals ein Kommando überhört. »Euch reiten zu sehen, ist ein einziges Trauerspiel«, schimpfte Frau Moos, »glaubt bloß nicht, dass auch nur einer von euch zum Reitabzeichen zugelassen wird, ganz zu schweigen davon, dass ihr die Prüfungen alle nicht bestehen würdet. Tina, wenn du noch dichter aufreitest, wird Lilian ausschlagen. Schau, sie legt schon die Ohren an.«
Tina nickte nur, ohne irgendetwas zu ändern. Frau Moos begriff, dass sie strenger werden musste. Einerseits konnte sie die Kinder verstehen, denn immerhin war die letzte Nacht sehr ereignisreich gewesen. Andererseits hasste sie nichts so sehr wie Unkonzentriertheit während ihres Unterrichts. Und sie hatte nicht vor, dieses Verhalten durchgehen zu lassen. »Abteilung im Arbeitstempo Schritt«, kommandierte sie daher, »bitte die Steigbügel über den Sattel schlagen und antraben. Leichttraben!«
Die Schüler stöhnten. Leichttraben bedeutete, dass man sich im Takt mit den Tritten des Pferdes aus dem Sattel heben und wieder hineinsetzen musste. Fehlten die Steigbügel, so galt es, das ganze eigene Gewicht nur durch Festklammern der Beine an den Pferdebauch in die Höhe zu stemmen.
Die Kinder bekamen rote Köpfe vor Anstrengung. »Nur weiter so«, tönte Frau Moos, »ein echter Reiter kennt keine Erschöpfung. Durchparieren zum Schritt und absitzen. Und gleich wieder hoch auf die Pferde, ohne Steigbügel!«
Diane dachte neidisch an Pat, die Fairytales Rücken gewöhnlich mit einem einzigen Sprung erklomm.
Auch die sportliche Moni saß bereits wieder im Sattel und feuerte ihre beste Freundin Tina an: »Los, Tina, du schaffst es!«
»Ich sehe schon, das wird nichts«, bemerkte Frau Moos grimmig. »Nun, ich hoffe, ihr habt nun gesehen, wohin Unaufmerksamkeit während meines Unterrichts führen kann. Bringt jetzt eure Pferde in den Stall und versorgt sie. Benny, vielleicht denkst du heute mal zur Abwechslung ans Hufeauskratzen!«
Benny nickte betreten. Dann verließen alle die Reithalle. »Das war nicht fair von Frau Moos«, schimpfte Sabine, ein hoch gewachsenes Mädchen mit dicken schwarzen Locken. Sie war ebenso temperamentvoll wie Pat, allerdings weniger offen und direkt. »Manchmal macht mir das Reiten hier gar keinen Spaß. Ich hätte große Lust, mal was richtig Tolles zu unternehmen!«
Steffi, die in der Nähe gestanden hatte, nickte zustimmend. Sie war stets für Abenteuer zu haben, ganz besonders dann, wenn die unerschütterliche und lustige Sabine dabei war. Tuschelnd verschwanden die Mädchen.
Diane hatte die brave Haflingerstute Lissi in ihre Box geführt und vorschriftsmäßig versorgt. Zuverlässig wie sie war, hatte es jedes Pflegepferd bei ihr gut. Ich sollte mal nach Fairytale schauen, überlegte sie, sicher fühlt sie sich ohne Pat ganz allein. Und wirklich: Fairytale wieherte erfreut, als Diane ihre Box betrat.
»Du bist ein braves Tier«, flüsterte Diane und strich über den rötlich braunen Kopf der Stute, »dein Frauchen liegt in der Krankenstation, aber sie wird bestimmt bald wieder bei dir sein.«
Ihr Blick fiel auf die weißen Fesseln des Pferdes und weiter zum Boden der Box hinab. Merkwürdig, dachte sie, es schaut fast so aus, als lägen hier Haare. Vorsichtig schob Diane mit dem Fuß die Strohhalme beiseite. Darunter kamen dichte Haarbüschel zum Vorschein. Ein schrecklicher Verdacht kam in ihr hoch. Sollte etwa jemand ... In dem Moment drehte Fairytale sich um und Diane erkannte, dass der Schweif der Stute vollständig gestutzt worden war. Das übrig gebliebene Haarbüschel stand borstig in alle Richtungen weg. Diane stieß einen Entsetzensschrei aus: »Oh, seht nur, was mit Fairytale passiert ist!« Im Nu hatten alle ihre Mistgabeln oder das Putzzeug fallen lassen und eilten herbei.
»Das ist die größte Gemeinheit, die ich jemals zu Gesicht bekommen habe«, rief Elke aufgebracht, und Sabine ereiferte sich: »Wer das getan hat, soll sich bloß nicht mehr unter meine Augen wagen!« Alle redeten durcheinander. So etwas war noch nie in der Eulenburg vorgekommen! Und doch musste jemand unter ihnen sein, der zu solch einer Gemeinheit fähig war. Jemand, der Pat sehr hasste!
Pat wurde von ihren Freunden begeistert
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