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DACKELKRIEG - Rouladen und Rap

DACKELKRIEG - Rouladen und Rap

Titel: DACKELKRIEG - Rouladen und Rap Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ada Blitzkrieg
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Textmarkern meine Weihnachtsplanung tätigte. Jeden Tag floss etwa eine Stunde meiner Zeit in die Planung der diesjährigen Perfektion. Dieses Jahr sollte Weihnachten der absolute Wahnsinn werden. Ein cooles Produkt meiner Geilheit. Vielleicht weil ich mir dummerweise in den Kopf gesetzt hatte, dass das Fest der Liebe so harmonisch werden würde, dass siebenundzwanzig Jahre Dissonanz und schmerzhafte Erinnerungen mit einem einzigen Schlag in die Fresse der Besinnlichkeit für immer ausgelöscht werden könnten und sich in den heiligen Hallen des Wohnzimmers meiner Eltern neue Geschichte schreiben lassen könnte. Mit einem Familienfoto und einem Weihnachtsbaum würde schon alles wieder werden, so dachte ich mir. Gebäck und Bratäpfeln. Vater könnte mit stolzer Brust vor dem Baum stehen und wir müssten alle finden, dass er ein besonders prachtvolles Exemplar ausgesucht hatte. Wir würden ihn für seinen Sinn für Ästhetik loben und ihm sagen, wie wichtig er für uns wäre. Er würde lächeln, ohne dafür extra Speis anmischen zu müssen. Mutter und Vater könnten sich hübsche Dinge schenken und mein Bruder und ich würden die gleichen Strickpullover tragen, die wir als Kinder schon trugen. Er den mit einem schwarzen Scottish Terrier und ich den mit einem West Highland White Terrier in einem dunklen Weihnachtsrot und schön warm. Gerne auch ein paar Nummern größer als 1992. Darunter natürlich Unterhemden, damit Mutter sich keine Sorgen um unsere Nieren machen müsste. Ich würde dann lange mit einem bunten Spielzeugschiff in der blauen Wanne baden. Vermutlich würde ich mich sogar trauen, in der Badewanne in das warme Wasser unterzutauchen, ganz ohne Unsmartphone, und zu zählen, wie lange ich die Luft anhalten könnte. Vielleicht für immer? Man muss nur wollen.
    Ich wollte einfach in diesem September nicht, dass es Menschen gab, denen niemand während sie badeten ein Handtuch über die Heizung legte, damit es später schön warm wäre. Ich war gerade zugegebenermaßen ziemlich zartbesaitet und ich wollte das Gefühl nicht vergessen, wie es war, wenn man
Es war einmal ... das Leben
im Schlafanzug guckte und Kakao mit Haut trank. Außerdem schmeckten Leberwurstbrote als Erwachsener auch nicht mehr so gut und da hatte ich überhaupt keine Lust drauf. Deshalb beschloss ich dieses Jahr an Weihnachten alles zurückholen, was mir zustand! Ich musste nur noch irgendwie drei Monate rumbekommen.

Goldsaft, my ass!
    Irgendwann besitzt man keinen Schneeanzug und keine Gummistiefel mehr. Dann sollte man sich lieber direkt wegschmeißen und zerstören, denn dies ist unverkennbar der Zeitpunkt von dem an es nur noch bergab geht. Das mit dem Wegschmeißen beherrschen die meisten Menschen in der Regel ganz gut. Alkohol und sich irgendwie aufgeben. Aus Versehen eine Familie gründen, und nicht weil man sich bewusst dafür entschieden hat. Die eigenen Ziele einem größeren Ziel unterordnen, das man nicht einmal mehr miterleben wird. Nachhaltigkeit,
Tartex
,
Goldsaft
, my ass! Ich wollte unsterblich sein und das nicht durch Bio-Geflügelwurst, sondern durch die Produkte meines Geistes.
    Kinder geben einem rein gar nichts wieder, es sei denn sie laufen irgendwann auf dem Weg zur Schule Amok und machen die Eltern damit berühmt. Ich würde es dann doch lieber vorziehen intellektuell zu stimulieren, um im Gedächtnis der Menschen zu bleiben, scheiterte aber schon an den einfachsten Herausforderungen, wie meinen Eltern zu erklären was ein
eBook
Reader ist. Ob
Stephen Hawking
das mit Mitte Zwanzig geschafft hätte? Aber dafür beherrschte ich ja andere Dinge besser als er. Immerhin.
    Meine Zukunft war immer diffus. Ich konnte ja nichts, denn wenn meine Familie eines eint, dann war es vollkommene Talentlosigkeit in allen denkbaren Bereichen. Keiner von uns Kindern war ein Wunderkind und ich durfte trotz jahrelangem Betteln niemals ein Musikinstrument erlernen. Als ich mir dann eines Tages mein erstes Minipiano im Kaufhaus klaute, spielte ich stundenlang selbstkomponierte Songs nach Gefühl und ohne Noten. Aber das war "denen da oben" - ich wohnte damals alleine im Keller – ziemlich egal. Ich bekam niemals Unterricht oder Förderung in jeglicher Hinsicht. Stattdessen bekam ich bloß zu hören, dass ich mich mit dem "Dreckspiano" gefälligst verpissen solle. Es sei laut. Kein Mensch halte so etwas aus. Ich sei laut. Das laute Kind. Eine Kindheit, die immer zu laut war und Diebstahl. Welcher Personalchef hatte dafür schon einen

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