DACKELKRIEG - Rouladen und Rap
knallhart wie einen unliebsamen Zechpreller abserviert. Sie hätte meinen Fragebogen genauer studiert und wäre sich nicht mehr so sicher. So im Allgemeinen. Ja wirklich? Und? Wir könnten nicht mehr zusammenarbeiten, weil es doch einige Differenzen in Bezug auf die Zielsetzungen der Therapie geben würde, teilte sie mir am Telefon mit. Welche Differenzen, wollte ich wissen. Und von welcher "Zusammenarbeit" sie eigentlich sprechen würde, schließlich hätte ich nicht die Hälfte des Geldes, das die Krankenkasse in unsere "Zusammenarbeit" investieren würde, auf meinem Bankkonto gesehen, sondern nur ihre blöden Füße mit den bunten Ringelsocken, weil sie jedes Mal in der Praxis, die sowieso eher der Privatwohnung einer depressiven Esoterikschlampe glich, ihre hexenartigen Schuhe auszog. Angeblich tat sie das um sich "heimelig" zu fühlen und diese blöde Psychologinnenruhe auszustrahlen, die Verrückte doch nur noch mehr provoziert. Aber sie ist ja Kassenärztin mit eigenem geilen Sitz in Berlin und total gefragt, wie sie mich auch spüren ließ und kann sich ihre Gestörten aus einem riesigen Schrottberg psychisch Gebrochener auswählen und nach Belieben zusammenflicken oder wieder entsorgen. Wieso also einen schweren Fall nehmen? So jemanden wie mich, der in ihrem Fragebogen, den sie auf grauem Ökopapier ausgedruckt hatte, als Zielsetzung „Ruhe und ein geregeltes Einkommen“ angab? Der Zug war für mich abgefahren und ich würde mir jemand anderen suchen müssen, den ich bezüglich meiner Psyche penetrieren könnte. Ich durfte also entscheiden wie ich mich selbst entsorge: Recyceln und den ganzen Dreck nochmal vor jemanden ausbreiten, der mich dann ein bisschen wäscht und wieder hübsch herrichtet, damit ich telefonieren könnte, ohne vor Angst zu zittern, oder doch lieber direkt in den Restmüll legen und mich für immer abschaffen? Kunsttherapie wäre genau mein Ding. Die wurde aber nur stationär angeboten und für diese Art von Aufenthalten hatte ich nicht genügend Paar Socken. Ich würde mich also alleine durchbeissen müssen.
Man könnte ja, jetzt wo man von seiner Therapeutin verlassen wurde, etwas im Internet unternehmen, schoss es mir durch den Kopf. Meine virtuellen Wanderschuhe standen direkt auf dem Schreibtisch mit der dicken Kaffeekruste und ich machte es mir mit einem Glas lauwarmen Leitungswasser, einer Vitamintablette zum Knabbern und der Filzdecke von
KiK
für dreißig Cent, in der inzwischen mehr Katzenhaare hingen als an der Katze, auf meinem sperrigen Holzstuhl vor dem Schreibtisch gemütlich und freute mich auf einen Schlechtwettertag im Kreise der engeren Familie bei
Facebook
. Es war acht Uhr. Das machte netto etwa elf Stunden, bis mein Freund von der Arbeit kommen würde, in denen ich zügellos Liken und Sharen könnte. Mal richtig die Sau rauslassen und dann schön früh ins Bett gehen und morgen den ganzen Spaß gerne nochmal. Die Endlosschleife der Sinnlosigkeit. Ich schaltete das Notebook an. Kreischend erwachte der Lüfter aus seinem Dornröschenschlaf, wachgeküsst von meiner, mit morgendlichem Augenschmodder, verschmierten Hand, aus der die Venen hervortraten wie bei einem einem Altherrenkadaver im Kühlhauslicht. Brrrrrrrr. Der Monitor wurde hell. Es ging los.
Der Nahostkonflikt schien auch heute wieder nicht gelöst worden zu sein, zumindest wenn man der Statusmeldung einiger Freunde trauen durfte. Man sollte aber nicht alles glauben was im Netz steht. Aha, Frauenquote. War ich dafür. Betreuungsgeld? Ach, hör mir auf damit! Katzenbilder? Toll! Noch ein Katzenbild. Süß! Noch ein Katzenbild. Herrlich. Katzen im Weltall. Witzig und innovativ! Ich konnte mal wieder gar nicht genug bekommen von den interessanten Informationen meiner Filterblase. Da klingelte es an der Haustür. Manche Menschen sagen "Schellen" dazu, aber die sind woanders groß geworden und wählen in der Regel auch konservativer als ich.
Es klingelte noch einmal. Um diese Uhrzeit? Ja, seid ihr denn bescheuert? In diesem Bezirk? Hier war die Arbeitslosenquote bekanntermaßen am höchsten. Es war also grob fahrlässig, vor der Mittagszeit zu klingeln. Und die Studenten! Die wurden doch von so etwas auch geweckt. Und was war mit den Depressiven und Trinkern oder den unzähligen Südländern, die ihre Imbissläden erst gegen Mittag öffneten? Jemand schien total uninformiert über die Struktur des Bezirks zu sein und ich nahm mir vor, ihn das auch spüren zu lassen.
„Müllabfuhr!“ „Ja. Ada Blitzkrieg
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