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DACKELKRIEG - Rouladen und Rap

DACKELKRIEG - Rouladen und Rap

Titel: DACKELKRIEG - Rouladen und Rap Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ada Blitzkrieg
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irritierende Uhrzeit im einstelligen Bereich an, die ich so noch nicht kannte und ich war etwas aufgeregt was mich jetzt genau erwartet, schließlich war ich das letzte Mal in dieser Herrgottsfrühe aufgestanden, als ich noch regelmäßig mit dem überfüllten Schulbus fahren musste, weil meine Eltern mir das Mofa verweigerten, das sie inkonsequenterweise drei Jahre zuvor meinem älteren Bruder aufschwatzen wollten. Das andere Mal hatte ich einen Arzttermin zu einer einstelligen Uhrzeit vereinbart, weil ich zwei Wochen hintereinander in Abständen von wenigen Sekunden ausschließlich sonnengelbe Galle erbrochen hatte und zu geschwächt zum Laufen und Schlafen war. Da dachte ich mir damals so „Eventuell mal zum Arzt, Ada!“. Und das war dann noch nicht mal so eventuell, sondern ganz real und in aller Frühe. Genauso wie heute, nur fühlte ich mich damals um Längen fitter als an diesem Morgen. Der nette Arzt hatte mir eine Infusion gelegt und dann liebevoll vier Liter Kochsalzlösung, ein Stück passierten Schweinebauch sowie unzählige Magenschutztabletten in mich gepumpt. Ich hatte also damals Unterstützung und im Unterschied dazu lag der Ausgang der Sache heute ganz in meiner Hand, was mich etwas beunruhigte, denn ich vertraute solchen Menschen wie mir einfach nicht.
    Ich war grundlos und ohne genauere Zielsetzung wach, weil ich etwas von dem Leben spüren wollte, das da irgendwo für mich bereit liegen könnte, wenn ich nur danach greifen würde. Ein erster zaghafter Versuch meinerseits die Grenzen der Normalität zu berühren. Ich wollte eine Schnittstelle finden, die meine Existenz nicht ganz so abnormal und absurd erscheinen ließ, ohne dabei meinen Wahnsinn zu verlieren.
    Es war in der Tat noch sehr früh und ich schaute auf die menschenleere Straße, in der die Laternen noch leuchteten. Wie dunkel es noch ist, dachte ich und fühlte mich dadurch besonders hochwertig. Ich war heute ein Premiummensch, aber zugegebenermaßen auch ziemlich aufgeregt wegen des draufgängerischen Vorhabens normal zu sein. Schließlich bewegte ich mich auf völlig unbekanntem Terrain. Wie würde sich mein Körper um diese Uhrzeit wohl verhalten? Funktionierte er überhaupt? Konnte ich auf ihn zählen? Oder funktionierte er vielleicht noch besser als sonst? Mit was hatte ich zu rechnen? Ohnmacht? Zuckungen? Krampfanfälle? Plötzlich einen Halbmarathon in unter zehn Minuten laufen können? Ich kannte den Gegner nicht. Veitstanz? Morbus Crohn? Oder doch wieder Scheidenpilz?
    Doch nichts von alledem traf zu. Ich war in den Momenten, in denen sich Angst nicht bestätigte, immer gleich so unangenehm motiviert und glaubte mich vollkommen durchschaut zu haben, bis ich dann ein paar Minuten später beim Brötchen holen wieder nicht wusste, ob man das Geld in die Zahlschale oder in die Hand der Fachverkäuferin legte, weil sie sehr zweideutige Signale absonderte, die ich ums Verrecken nicht einschätzen konnte. Keine Ahnung ob sie mich hasste, oder doch eher liebte. Vielleicht ekelte sie sich sogar vor mir. Ich meine, wer tat das nicht? Ihre Gefühle wiederum wollte ich unter keinen Umständen verletzen. Wie sollte ich also mit dem Geld verfahren? Hand oder Zahlschale? Ich wusste es einfach nicht und würde es auch nie wissen. Also lief ich einfach weg, wie
Forrest Gump
, nur etwas langsamer, bevor ich noch in der Bäckerei zerbrechen würde. Nach einigen Kilometern hielt ich dann erschöpft inne, atmete erst einmal tief durch und blickte mich um. Der Wald strahlte eine tiefe Ruhe aus und ich klopfte mir selbst anerkennend auf die Schulter, denn ich war geistesgegenwärtig genug gewesen die Backwaren in der Filiale liegen zu lassen, und galt nun in den Augen der Verkäuferin nicht als Dieb, sondern nur als dummer Psycho. Damit konnte ich gut leben.
    Ich hatte also plötzlich um eine unmögliche Uhrzeit eine unbändige Lust mit dem TÜV über die Reparaturpreise von Scheibenbremsen zu sprechen, bedrucktes Geschenkpapier im Mega-Store zu erwerben, meine Handschuhe am Jackenärmel und die Hausschuhe an der Jogginghose festzunähen, Müll raus und Lebensmittel rein zu bringen, in einem kleinen Geschäft um ein günstiges Schnäppchen zu feilschen und einen Brunch für meine zweihundert liebsten Businesspartner zu veranstalten, an dessen Ende wir uns die Hände schütteln und uns mit den Worten „Das war wirklich unvergesslich!“ verabschieden. Aber ich machte den Fernseher an.
    Meine Verhaltenstherapeutin hatte mich vor einigen Tagen

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