DACKELKRIEG - Rouladen und Rap
würden.
Riesenschnauzer, was gibt es Besseres?
Ich wollte schon immer einen Hund haben, bekam aber stattdessen nur endlos lange Vorträge über Verantwortung und Persönlichkeitsentwicklung. Ein schlechter Deal für mich, wie ich fand. Susi, meine vier Jahre ältere Nachbarin, brach mir dann restlos das Genick, als sie eines Morgens in den großen Schulferien freudestrahlend in unserer Hofeinfahrt auftauchte und nicht alleine war: Morle, ein kleiner schwarzer Dackelwelpe schaute mich neugierig an. Morle, ich war ja so neidisch! So ein hübsches Tier, trotz der massiven Gehbehinderung und dem Wurstrücken. Sweetheart! Oh my! Ich wollte eine eigene Morle besitzen und hing in den nächsten Tagen nur bei den Nachbarn ab, wo es ohnehin immer besonders hübsch war, denn Susis Eltern waren beide berufstätig. Ein echtes Glückskind eben. Vollzeit. Daher gehörte der Nachmittag im Nachbarhaus ganz uns Kindern und dem nicht verschlossenen Süßigkeitenschrein.
Im rustikal eingerichteten Wohnzimmer, das mit schweren dunklen Vorhängen dekoriert war und in dessen Herz sich eine große gemütliche Sofaecke aus speckigem Echtleder befand, stand ein riesiger Fernsehapparat mit Kabelkanälen, welche ich von zu Hause nicht kannte, da meine Eltern nicht an Unterhaltung interessiert waren und wir ausschließlich
Wetten, Dass ..?
oder
Geld oder Liebe
gucken durften. Dazu gab es für jedes Kind eine kleine Schale Erdnuss Flips, eine wärmende Decke und mahnende Blicke, wenn man „Ich würde die Knete nehmen und nicht den Spacko!“ sagte. Es war schwer nicht schon nach den ersten Minuten einzuschlafen, denn unser Fernsehapparat war sehr klein und wir Kinder waren samstagabends um Viertel nach Acht vom vielen Toben und Spielen sehr müde. Das Fernsehgerät der Nachbarn war hingegen so groß wie unser gesamtes Wohnzimmer und lief auch tagsüber und unter der Woche. Wir waren hellwach. Dieser Elektro-Gott war gefühlte drei Meter hoch und vier Meter breit und hatte eine Bilddiagonale, die ich mit vier Radschlägen am Stück nicht hätte überqueren können.
Im Kabelfernsehen waren die Menschen und die Programme einfach anders als auf den privaten Sendern die ich so kannte. Man konnte
Hugo
mit der eigenen Stimme am Telefon lenken, die
Bim Bam Bino Show
gucken und es wurde ständig knallige Werbung gezeigt, die mir schmerzhaft verdeutlichte, dass ich bestimmt das ärmste Kind der Welt sein müsse. Alles im Kabelfernsehen war etwas schneller und schräger als die
Dr. Best
Werbung mit der matschigen Tomate und dem dusseligen Schwingkopf, die ich auswendig mitsprechen konnte. Die Schauspieler waren jünger und unverbrauchter als
Arno Brandner
und auf
RTL
hatten die Stars auch keinen mittelständischen Handwerksbetrieb, der ständig um seine Existenz bangen musste, wie
Frank Töppers
, sondern eine Szenekneipe mit Billardtischen und trendigen Stahlmöbeln.
Auch heute fasziniert mich Werbung für Kinderprodukte am meisten. Besonders vor Weihnachten, wenn die Hersteller alle nochmal richtig am Rad drehen, wie Alkoholiker die genau wissen was als nächstes passieren wird: Trinken. Ein tolles Gefühl, auf das man sich gut freuen kann, ohne dabei enttäuscht zu werden. Die Erwartungen erfüllen sich bei Alkohol einfach immer. Die sogenannte "Trinkergarantie" ist nicht nur günstig zu erwerben, sondern auch eine äußerst verlässliche Konstante, aus der man viel Kraft schöpfen kann. Mit den Spielzeugherstellern ist es ähnlich: Sie wissen einfach - der Scheiß wird sich sowieso verkaufen wie geschnitten Brot an brotschneidemaschinenlose Tyrannosaurus Rex. Das Weihnachtsgeschäft boomte.
Susi und ich kauerten auf dem Ledersofa und schauten Fernsehen. Ihre Eltern waren clever genug, um Susi ihre Liebe mit einem immer gut gefüllten Süßigkeitenschrank zu beweisen, den wir damals als mutterhafte Glucke ansahen, der wir bedingungslos gefolgt wären, auch wenn sie uns in den Krieg oder in eine russische Munitionsfabrik abkommandiert hätte. Wenn dieser Süßigkeitenschrank, ein schwerer Einbauschrank aus Massivholzglück in Eiche rustikal mit Jagd-Ornamenten und quietschender Schranktür heute von einer Klippe springen würde, ich würde ohne auch nur mit der Wimper zu zucken hinterher springen. Aus meiner heutigen Sicht war die Produktauswahl der Eltern vielleicht doch weniger auf unser Glück ausgerichtet, als auf das Glück von über Vierzigjährigen.
After Eight
. Abfuck!
Toblerone
. Abfuck! Bitterschokolade. Abfuck! Pralinen.
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