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DACKELKRIEG - Rouladen und Rap

DACKELKRIEG - Rouladen und Rap

Titel: DACKELKRIEG - Rouladen und Rap Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ada Blitzkrieg
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hier.“ „Müllabfuhr!“ „Aha. Und jetzt?“ „Bitte öffnen Sie die Tür!“ „Ich bin aber nackt!“ „Die Haustür!“ „Haben Sie einen Durchsuchungsbefehl?“ „Tür öffnen!“ „Nicht in diesem Ton!“ „Öffnen Sie sofort die Tür.“ „Nein, du reiches Müllabfuhr-Arschloch!“
    Ich hängte den Hörer der speckig abgegrabbelten Sprechanlage wieder auf und widmete mich weiter dem Internet. Ob ich vielleicht der Arsch sein könnte, ging mir kurz durch den Kopf. Die Müllabfuhr und meine Therapeutin, die ich ab jetzt nur noch abfällig als meine "Ex-Therapeutin" bezeichnen wollte, schienen irgendwie unter einer Decke zu stecken und sich zu einem Riesenabfuck gegen mich verschworen zu haben. Die machen wir mal richtig fertig, diese Ada! Nein, dachte ich, mit mir ist wirklich alles vollkommen in Ordnung und sah plötzlich alles ganz klar: Ich war scheinbar ein Punk und das Feuer in mir drin brannte wieder lichterloh. Und das um acht Uhr morgens. Wahnsinn!
    Aber da war keine Therapeutin mehr, der ich hätte davon erzählen können, also sprach ich es auf den Anrufbeantworter ihrer Kissenhöhle. „Ich habe wieder Feuer und werde sie und ihre Praxis nicht mehr benötigen!“ Am Ende lachte ich kurz dämonisch auf, damit sie genau würde spüren können, wie gut es mir auch ohne sie ging und hängte den Hörer mit Schmackes auf. Dann fiel mir ein, dass ich im besagten Fragebogen, der ausgefüllt in ihrer spackigen Praxis lag, auch angekreuzt hatte, dass ich in meiner Jugend durchaus schon das ein oder andere Mal Brandstiftung begangen hatte und beschloss umgehend frische Unterwäsche aufzuziehen und mich noch so lange ins Bett zu legen, bis die Beamten eintreffen würden.
    Ich war ohnehin sehr professionell darin aufzulegen, wenn mir keine Lösung mehr einfiel, oder ich mich nicht weiter mit Worten wehren konnte. Dann schloss ich blitzschnell die Tür, legte den Hörer unsanft auf oder warf mein Unsmartphone gegen die Wand, um das Gespräch auf der Stelle zu beenden - emotional und inhaltlich - für kurze Zeit oder für immer. Diese Technik war nicht nur einfach zu erlernen, sondern auch recht erfolgreich im Alltag anwendbar. Sofort herrschte befriedigende Ruhe und ich konnte mich einer vollkommen anderen Sache widmen und alles Geschehene verdrängen und noch mehr verdrängen, bis es niemals passiert war.
    Früher war ich der Meinung, dass sich der ganze Quatsch den man ständig verdrängt, irgendwo in einem drin ansammelt und irgendwann zu viel wird und dann ausbricht, ausläuft oder unberechenbar explodiert und schier unendliche Zerstörung anrichtet. Hoffentlich nicht bei mir selbst. Hoffentlich nur bei meinem Gegenüber! Die Behälter und Sammelboxen für das Verdrängte sind bei jedem Menschen verschieden groß und werden unterschiedlich stark befüllt. Wenn man dann mit seinem Minibehälter und einem riesigen Haufen Giftmüll dasitzt, weil man es versäumt hat, freundlich zur inneren und äußeren Müllabfuhr zu sein, bricht irgendwann jemand vom Amt für Verdrängung (AFV) gewaltsam die Tür zu diesem Inneren auf, schmeißt achtlos alles weg und man darf in einen hellen Raum ohne Kisten und Müllboxen umziehen, in den man aber dummerweise auch keine Erinnerungen und keine Emotionen mitnehmen darf. Das klingt nach einem fairen Deal soweit. Daran glaubte ich. Ist aber nicht so! Ich habe es getestet.
    Man muss sich die Psyche besser als unendliche Weite vorstellen, wenn man einem wissenschaftlichen Anspruch genügen möchte. In irgendeine hinterletzte Ecke dieser Unendlichkeit stellt man nun das zu Verdrängende ab. Ja, mag sein, dass man sich nach einiger Zeit durch Zufall wieder in diese Ecke verlaufen könnte. Das kann passieren und nun ist das Verdrängte natürlich direkt wieder da. Ja, ganz schön blöd. Ärgerlich, aber so ist das halt manchmal im Leben. Da muss man durch. Dafür gilt es zwei ganz einfache Regeln zu beachten: Das Verdrängte sollte möglichst immer in einzelnen Häppchen in unterschiedliche Ecken der unendlichen Psyche abgestellt werden. Außerdem sollte man sich nicht merken was genau man eigentlich abstellt, sondern nur den Weg dahin wo man es abgestellt hat, um diesen in Zukunft zu meiden. Das funktioniert.
    Ich trank einen weiteren Schluck Leitungswasser direkt aus dem Hahn und versuchte keinen Müll zu produzieren, weil ich nicht mehr wollte, dass ihn so jemand wie dieser schreckliche Müllabfuhrmann oder meine Ex-Therapeutin in die Hände bekommen

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