Dämenkind 2 - Kind der Götter
Hauptmann«, antwortete das Dämonenkind. »Ich beuge mich dem Unvermeidlichen und erfülle meine Bestimmung. Ich werde Xaphista vernichten.«
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UNTER EINEM BLEIGRAUEN HIMMEL ritt R'shiel fort vom Hüter-Lager. Die Kälte rötete ihr die Wangen und brachte die Gesichtshaut zum Kribbeln. Sie hatte niemandem den Anlass ihres Ausritts anvertraut, sondern als Grund lediglich das Bedürfnis geäußert, allein zu sein. Vor allem Brakandaran hatte sie gemieden. Als Einziger hätte er erraten können, welche Absicht sie hegte, und daher wollte sie ihm keine Gelegenheit zu Einwänden geben.
Die hythrische Stute flog dahin wie der Wind, und das Lager rückte hinter R'shiel schon bald in die Ferne. Sie strebte kein besonderes Ziel an, und für eine Weile genoss sie schlichtweg den Ritt und die Schnelligkeit des aus Magie-Zucht hervorgegangenen Reittiers. Es geschah zum ersten Mal seit sehr langer Frist, dass sie etwas einzig aus Vergnügen tat, und deshalb widerstrebte es ihr, es allzu zeitig zu beenden.
Schließlich erreichte sie inmitten der gewellten Ebene eine flache Anhöhe und blickte sich um: Das HüterLager war hinter den niedrigen Erhebungen der Landschaft gänzlich außer Sicht verschwunden. R'shiel saß ab, streichelte der schwitzenden Stute den Hals und legte ihr mittels eines auf sie ausgerichteten Gedankens nahe, sich in der kargen winterlichen Steppe an Futter zu suchen, was sie finden konnte. Durch ein Aufwie
hern bekundete die Stute ihr Einverständnis und trabte davon. Als R'shiel dessen sicher war, dass das Pferd sich weit genug von der Anhöhe entfernt hatte, wandte sie sich um und hob den Blick gen Himmel.
»Zegarnald!«
Ihr antwortete niemand als der Wind, der leise durch das dürre Gras säuselte, dass es sich anhörte wie Samt auf einem gerüschten Unterkleid. »Zegarnald!«
»Dämonenkind …« R'shiel fuhr herum und sah den Kriegsgott auf der Kuppe stehen. Er trug einen goldenen Harnisch, der im Sonnenschein des Spätnachmittags gleißte. Gewaltig war seine Erscheinung: Die Schlachten, die überall tobten, statteten ihn mit größerer Macht aus, als er je zuvor besessen hatte. »Wie ich sehe, hast du Xaphista getrotzt.«
»Nicht etwa dank deines Beistands.«
»Anscheinend hat Brakandaran dich nicht nur das Überleben gelehrt, sondern auch Unehrerbietigkeit.«
»Weder hat Brakandaran mich das Überleben gelehrt«, widersprach R'shiel, »noch bedarf ich eines Vorbilds, um unehrerbietig zu sein.«
»Warum hast du mich gerufen, Dämonenkind?«
»Mein Name lautet R'shiel.«
»Dennoch bist du das Dämonenkind.«
»Ich bin R'shiel«, beharrte sie auf ihrem Standpunkt. »Das Dämonenkind ist ein Wesen, das ihr Götter euch erknetet habt. Es ist nicht das, was ich bin.«
»Also verweigerst du dich deiner Bestimmung?« Die Stimme des Gottes bezeugte Ratlosigkeit. So feine Unterscheidungen überforderten sein Begriffsvermögen.
»Ich lehne sie keineswegs ab, Zegarnald. Im Gegen
teil, ich füge mich ihr. Ich werde eurem Willen folgen. Ich gedenke das Gleichgewicht der Welt wieder herzustellen und die Götter zu vertilgen, die es gestört haben, indem sie zu gewaltige Macht errangen.«
»Götter? Sicherlich sprichst du doch von nur einem Gott?«
Vieldeutig lächelte R'shiel. »Du glaubst doch nicht, ich könnte Xaphista stürzen, ohne dass sich daraus mancherlei Auswirkungen für andere Gottheiten ergeben, oder?«
Etliche Augenblicke lang erwog Zegarnald diese Frage; dann nickte er bedächtig. »Ja, ich gebe dir Recht. Diese Überlegung hatte ich bisher nicht angestellt.«
»Dann gestehst du mir zu, meine Aufgabe so zu erfüllen, wie ich es als angebracht erachte?«
Der Kriegsgott schnitt eine grimmige Miene. »Du wirst Slarn aufsuchen und Xaphista vernichten. Was weiter gäbe es da zu tun?«
»Xaphistas Macht stützt sich auf seine Gläubigen in Karien. Ich kann ihn nicht stürzen, ohne den Untergang des Xaphista-Glaubens zu erwirken.«
Auch darüber dachte der Kriegsgott nach; anschließend nickte er ein zweites Mal. »Ja, ich sehe es ein.«
»Du lässt mich also in Zukunft unbehelligt? Unterwirfst mich keinen Prüfungen mehr? Versuchst mich nicht mehr zu stählen ?«
»Aber …«
»Zegarnald, du musst mir Vertrauen schenken. Einzig ich kann dieses Werk verrichten. Du musst mir erlauben, es auf meine Weise zu tun. Zur Hälfte bin ich Mensch. Ich weiß, wie Menschen denken und fühlen.
Ich verlange dein Versprechen, dass du dich nicht wieder einmischst, außer ich ersuche dich
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