Dämenkind 2 - Kind der Götter
haben, raubt mir den Schlaf. Die Großmeisterin hat mir die Zusage erteilt, dass die MagierGilde den Unsrigen, die in Groenhavn leben, Schutz gewährt, doch bringt man uns bei weitem nicht mehr die gleiche Art der Verehrung wie einst entgegen. Unsere Zurückgezogenheit, so fürchte ich, hat uns der Men
schenwelt entfremdet. Ich argwöhne, dass die Unterstützung seitens der Großmeisterin ihren Preis hat. Außerdem liegt Fardohnja zu nahe bei Karien. Ich traue Hablet ohne weiteres zu, dass er seinen Vorteil in einem Bündnis mit den Kariern sucht, und ich möchte ihm keineswegs eine Geisel in die Hände spielen.« Korandellan schlenderte auf den Balkon, der einen Ausblick auf das breite, von der Sonne verwöhnte Tal bot. Für ein Weilchen betrachtete er die Landschaft. »Einesteils«, sagte er anschließend, »bin ich tief erfreut, dich wiederzusehen, Brakandaran. Zum anderen Teil flößt das, was dein Kommen ankündet, mir Grauen ein.«
»Und was ist es denn, das mein Erscheinen ankündet?«
Korandellan schwieg eine Weile. Als er erneut das Wort ergriff, widmete er sich einem gänzlich anderen Gesprächsstoff. »Das Dämonenkind ist am Leben.«
»Also hat Cheltaran sie geheilt?« Brakandaran war es eine Genugtuung, dass er all die Anstrengungen nicht vergeblich auf sich genommen hatte.
»Einerseits ist es so … andererseits nicht.«
Diese undeutliche Auskunft überraschte Brakandaran nicht nur, sondern sie jagte ihm auch Sorge ein. »Was wollt Ihr damit sagen?«
»Als die Dämonen R'shiel zu uns brachten, stand sie am Rande des Ablebens. Nein, es war ernster … der Tod selbst hatte ihre Hand gepackt und führte sie schon fort in sein Reich. Cheltaran hat ihre Wunden geheilt, aber der Tod lässt sich ungern betrügen, am wenigsten vom Gott der Heilkunst. Es gibt zwischen ihnen … einen Zwist … um das Schicksal des Dämonenkinds.«
»Das klingt reichlich unheilvoll, Hoheit. In welcher Verfassung befindet sich R'shiel?«
»Sie lebt, aber nur knapp. Der Tod hält eine, Cheltaran die andere Hand.«
Brakandaran lehnte sich an die Balkonbrüstung. »Aber es sind doch schon Monate verstrichen.«
»Das weiß ich wohl. Doch nun, da du hier bist, dürften wir dazu imstande sein, den Streit beizulegen.«
»Ihr wünscht, dass ich mich in eine Auseinandersetzung zwischen dem Tod und einem Gott einmische? Tiefen Dank für Euer beachtenswertes Zutrauen, Eure Majestät, jedoch glaube ich, dass Ihr meine Überredungskünste ganz erheblich überschätzt.«
Mit ernster Miene wandte sich der König ihm zu. »Ich überschätze nichts und niemanden, Brakandaran. Mittlerweile ist eine gewisse Übereinkunft errungen worden, um die leidige Angelegenheit beizulegen. Zu dumm, dass von uns niemand das Nötige tun kann.«
»Eine Übereinkunft? Welcher Art?«
»Leben gegen Leben«, sagte Korandellan in schwermütigem Ton. »Der Tod gibt den Anspruch auf R'shiels Leben auf, wenn ihm stattdessen ein anderes Leben zufällt.«
Flüchtig schloss Brakandaran die Lider, während die Schwere der Aufgabe, die ihm Korandellan zuzumuten beabsichtigte, sich auf ihn herabwälzte wie die Trümmer eines einstürzenden Gebäudes.
»Und ich soll die Wahl treffen?«
»Ich fordere dir diesen Dienst nicht leichtfertig ab, Brakandaran, aber mir bleibt keine andere Wahl. Ich vermag ja kein Leben auszulöschen, nicht einmal auf Umwegen. Allein du kannst diese Entscheidung fällen.«
»Und ich habe stets geglaubt, mein Menschenblut könnte den Harshini niemals von Nutzen sein«, bemerkte Brakandaran verdrossen. »Also gehe ich hin und erwähle einen ahnungslosen, nichtswürdigen Menschen. Damit dürfte der Tod sich wohl zufrieden geben.«
Angesichts dieser scheinbar herzlosen Äußerung nahm Korandellans goldbraune Haut eine gewisse Blässe an. »So einfach ist die Sache nicht. Der Tod verlangt eine Seele von gleichrangigem Wert.«
»Also wird es am klügsten sein, sich irgendeine nichtsnutzige, unerträgliche Göre zu schnappen. Damit wäre die Gleichwertigkeit wohl gewährleistet.«
»Eine Seele gleicher Bedeutsamkeit, Brakandaran. Der Tod ist ein unerbittlicher Feilscher. Er verlangt nach einer Seele, deren Verlust für das Dämonenkind ebenso schmerzlich ist, wie R'shiels Verlust es für uns wäre.«
»Kennt diese hirnrissige Übereinkunft irgendwelche Schranken, oder fällt der arme Hund tot um, sobald ich seinen Namen nenne?«
Voller Verzweiflung schüttelte Korandellan den Kopf. »Ich kann deinen Hang, diese Angelegenheit so
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