Dämenkind 2 - Kind der Götter
unbekümmert anzugehen, nicht im Mindesten verstehen, Brakandaran.«
»Ich bin wahrhaftig nicht unbekümmert. Mag sein, ich bin dazu fähig, eine derartige Entscheidung zu treffen, Korandellan, aber ohne jeglichen Zweifel wird sie mir nicht leicht fallen. Es ist eine überaus fragwürdige Angelegenheit.«
»Ich kann in dieser Beziehung keine Fragen beantworten. Frage den Tod selbst. Sicherlich lässt er mit sich reden.«
»Ach! Daran glaubt Ihr?«
»Bitte, Brakandaran! Mit einer solchen Einstellung kannst du Gevatter Tod unmöglich nahe treten.«
Als Volksstamm bildeten die Harshini die Brücke zwischen den Göttern und den Sterblichen, jedoch war es Korandellan, der das volle Gewicht dieser Brücke auf den Schultern trug. Brakandaran hatte Achtung vor der hohen Verantwortung des Königs, doch in Anbetracht der Bürde, die er ihm soeben aufgelastet hatte, blieb sein Mitgefühl gering.
»Sorgt Euch nicht, Majestät, so töricht bin nicht einmal ich . Darf ich R'shiel sehen?«
»Freilich.« Der König lächelte leise und legte eine Hand auf Brakandarans Schulter. »Mit R'shiels Auffinden hast du eine große Tat vollbracht, Brakandaran. Ich weiß, dass Gewissensbisse dich zermürben, aber zu guter Letzt wird R'shiel, hat sie erst Erfolg, uns Harshini wieder die Freiheit schenken. Dann haben auch deine Handlungen unser Volk gerettet.«
»Mit einer Ausnahme«, entgegnete Brakandaran voller Grimm.
R'shiel té Ortyn, das Dämonenkind, das Brakandaran so viele Scherereien eingebrockt hatte – und zwar schon vor der Geburt –, ruhte unweit der Gemächer Korandellans in einer Kammer. Der große, luftige Raum war voller Blumen und Duftkerzen, als könnte eine freundliche Stimmung einen Ausgleich für das Tauziehen schaffen, das um R'shiels Leben stattfand.
An ihrer Bettstatt saßen zwei Harshini und beobachteten das kaum merkliche Heben und Senken ihrer Brust,
als harrten sie irgendwelcher Ergebnisse. Sobald Brakandaran eintrat, verneigten sich beide und gingen hinaus; die erwartungsvolle Freude über sein Erscheinen, die sich in ihren schwarzen Augen widerspiegelte, flößte ihm ein Gefühl der Unwürdigkeit ein.
R'shiel lag, gehüllt in ein schlichtes, hellblaues Kleid, auf frischen weißen Laken. Ihr braunrotes Haar war sorgsam zu einem Zopf geflochten worden, der eingerollt das Kissen zierte. Sie sah heil und gesund aus: so unnatürlich vollkommen wie jeder und jede Harshini.
Sie atmete, allerdings nur ganz schwach. Für eine Weile betrachtete Brakandaran sie; dann wandte er sich an Korandellan.
»Ihr habt noch nicht mit ihr gesprochen, Majestät?«
»Seit ihrer Ankunft ist sie ohne Besinnung. Nachdem … die Entscheidung gefallen ist, entlässt der Tod sie aus seinem Griff.«
Brakandaran überlegte sich seine nächste Äußerung sehr gründlich, ehe er den Mund aufmachte. »Korandellan, habt Ihr je die Möglichkeit erwogen, dass es ratsamer sein könnte, sie dem Tod zu gönnen?«
Aus Bestürzung hob Korandellan ruckartig den Kopf. »Selbstverständlich nicht! Warum sollte ich dergleichen tun?«
»Sie mag mit einer Harshini Ähnlichkeit haben, Eure Majestät, aber dieses Mädchen ist beileibe nicht, was sie zu sein scheint. Sie ist in der Schwesternschaft aufgewachsen. Ihr Gemüt ist verdorben, sie versteht Leute nach ihrem Willen zu lenken, und wenn es ihr passt, geht sie völlig rücksichtslos vor. Und das sind noch ihre vorteilhaften Eigenschaften.«
»Sollte Xaphista obsiegen, bedeutet es den Untergang der Harshini.«
»Es scheint mir ungewiss, ob dieses Verhängnis ausbleibt, wenn R'shiel das Leben behält. Ihr kennt sie bei weitem nicht so gut wie ich. Glaubt mir, ihre Art hat wenig mit einer Heilsbringerin gemein.«
»Du magst sie nicht leiden?«
»Ihr traue ihr nicht«, berichtigte Brakandaran den Harshini-Herrscher.
Eine ganze Weile musterte der König R'shiel; schließlich heftete er den Blick auf Brakandaran. Sein Gesichtsausdruck bezeugte tiefe Besorgnis. »Gleichwohl kann ich sie nicht sterben lassen. Wir könnten nicht so lange bestehen, wie es nötig wäre, bis ein zweites Dämonenkind zur Reife gelangt, selbst wenn es am morgigen Tage geboren würde. Ich sehe keine andere Wahl.«
»Dann mögen die Götter uns allen gnädig sein«, sagte Brakandaran leise.
2
IHRE DURCHLAUCHT PRINZESSIN Adrina von Fardohnja gab sich an diesem Morgen ganz besondere Mühe mit dem Herrichten ihres Äußeren. Das blau geschwollene Auge ließ sich schwerlich vertuschen, aber ihre übrigen Prellungen
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