Daemmerung der Leidenschaft
herumfahren. Er war nähergekommen, und sein Gesicht besaß nun einen fast mörderischen Ausdruck. Roanna wich rasch einen Schritt zurück, so daß das Pferd zwischen ihr und dem Mann stand.
»Verschwinden Sie von unserem Privatgrund«, sagte sie kalt. »Oder ich lasse Sie verhaften.«
Sein sinnlicher Mund verzog sich höhnisch. »Das würden Sie wohl. Der Sheriff ist ein verdammter Arschkriecher, besonders wenn es sich um einen Davenport-Arsch handelt. Es macht wohl keinen Unterschied für Sie, daß ich aus Versehen auf Ihren edlen Boden geraten bin?«
»Nicht wenn Sie ihr Pferd schlagen«, erwiderte Roanna, immer noch in schneidendem Ton. »Und jetzt verschwinden Sie!«
Er lachte scheppernd auf. »Das kann ich nicht, solange Sie da mitmischen.«
Roanna ließ die Zügel los und trat vorsichtshalber noch einen Schritt zurück. »Bitte! Aber jetzt will ich Sie hier nicht mehr sehen – falls ich Sie je nochmal dabei erwische, wie Sie ein Tier mißhandeln, zeige ich Sie an wegen Grausamkeit. Ich kenne vielleicht nicht ihren Namen, aber ich kann Sie beschreiben, und wahrscheinlich sehen nicht sehr viele Leute aus wie Sie.« Keiner, den sie kannte, jedenfalls; seine Augen fielen wirklich aus dem Rahmen.
Wieder wurde er rot vor Wut, und seine Augen flackerten gefährlich, doch offenbar besann er sich erneut eines Besseren und langte nach den Zügeln. Er schwang sich mit einer Mühelosigkeit in den Sattel, die ihn als erfahrenen Reiter auswies. »Wir sehen uns wieder, irgendwann«, versprach er finster und grub die Fersen in die Flanken seines Tieres. Das überraschte Pferd sprang vorwärts und schnellte so dich an ihr vorbei, daß es sie umgeworfen hätte, wenn sie nicht geistesgegenwärtig beiseitegesprungen wäre.
Er ritt in Richtung Highway und duckte sich, damit ihm die niedrig hängenden Äste nicht ins Gesicht klatschten. Kurz darauf war er außer Sicht, doch der Hufschlag war noch ein Weilchen zu hören.
Roanna wankte auf eine dicke Eiche zu und lehnte sich zitternd dagegen. Sie schloß die Augen.
Das war unbestreitbar das Dümmste, Leichtsinnigste, was sie je in ihrem Leben vollbracht hatte. Ihr Schutzengel mußte auf sie aufgepaßt haben. Dieser Mann hätte ihr beinahe alles antun können, sie verprügeln, vergewaltigen, vielleicht sogar töten. Kopfüber hatte sie sich in eine Bedrohung gestürzt, ohne auch nur eine Sekunde lang nachzudenken. Diese Impulsivität war der Hauptgrund für ihre Schwierigkeiten als Kind gewesen und ebenfalls der Auslöser für die schlimme Tragödie von Jessies Tod und Webbs Weggang.
Sie hatte geglaubt, ihren Leichtsinn für immer ausgemerzt zu haben, doch nun mußte sie zu ihrem Kummer feststellen, daß er immer noch in ihr schlummerte, bereit, jederzeit hervorzutreten. Vielleicht hätte sie das schon eher festgestellt, wenn irgend etwas sie jemals so aufgebracht hätte. Aber Pferde wurden auf Davenport nicht mißhandelt, und es war lange her, seit sie sich irgendwelche Gefühle erlaubte. Webb war fort und die Tage nichts als endlos und trübe.
Vor Wut und Angst, die sie ausgestanden hatte, waren ihre Knie ganz weich. Sie holte ein paarmal tief Luft und zwang sich zur Ruhe. So konnte sie unmöglich heimgehen, so aufgelöst. Jeder, der sie sah, würde wissen, daß etwas passiert war, und sie wollte das alles nicht auch noch erzählen und sich die Vorwürfe anhören müssen. Wie dumm sie gewesen war und welches Glück sie gehabt hatte, wußte sie selbst.
Doch wichtiger dabei war ihr, daß niemand sie so sah, in diesem beschämenden Schwächezustand. Die unvermutete Verletzlichkeit war ihr peinlich und erschreckte sie zutiefst. Sie mußte sich wirklich besser schützen. Gegen ihre Gefühle für Webb war sie machtlos, aber weitere Risse in ihrem Panzer konnte sie unter gar keinen Umständen verkraften.
Als sich ihre Beine wieder einigermaßen stabil anfühlten, verließ sie den Wald und stakste durch das Feld zurück zur Straße. Diesmal achtete sie jedoch darauf, daß sie nicht wieder an Dornen oder sonstigem Unkraut hängenblieb. Ihr rechtes Fußgelenk tat weh und erinnerte sie daran, daß sie es sich verstaucht hatte.
Als sie bei ihrem Wagen angekommen war, setzte sie sich seitlich auf den Fahrersitz und ließ ihre Beine draußen. Sie beugte sich vor und zog ihre Schuhe aus. Dann schüttelte sie die Erde aus. Nach einem raschen Rundumblick, der sie davon überzeugt hatte, daß sie allein war, griff sie sich rasch unters Kleid und zog ihre zerrissenen Seidenstrümpfe
Weitere Kostenlose Bücher