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Daemmerung der Leidenschaft

Daemmerung der Leidenschaft

Titel: Daemmerung der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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überraschend, und die Augen, die ihr so ernst aus dem Spiegel entgegenblickten, weiteten sich erstaunt. Wenn es allerdings um Pferde ging, gab es für sie noch nie Probleme. Sie hatte das Selbstbewußtsein oder auch den unglaublichen Leichtsinn besessen, jenen schrecklichen Mann im Wald zu konfrontieren und ihm die weitere Mißhandlung seines Gauls zu verwehren.
    Schock und Wut waren so groß gewesen, daß sie einfach, ohne zu überlegen, dazwischenfuhr – ein Charakterzug, von dem sie nie gedacht hätte, daß sie ihn noch besaß. Natürlich war das Pferd der Auslöser gewesen; sie liebte die Tiere so sehr, daß es sie immer schon fuchsteufelswild gemacht hatte, wenn sie Grobheiten mitansehen mußte. Und dennoch überraschte sie ihre Handlungsweise; sie wurde unversehens mit einem Teil ihres Ichs konfrontiert, den sie längst für tot oder zumindest für begraben gehalten hatte. Sie regte sich nie mehr über irgend etwas auf oder beharrte auf ihrer Meinung; höchstens machte sie hin und wieder deutlich, was ihr nicht in den Kram paßte. Sie behielt sehr viel für sich, aber das war ihre Entscheidung, ihre Art, mit den Härten des Lebens umzugehen. Gefühle erlaubte sie sich nicht mehr oder ließ zumindest keinen wissen, was sich in ihr abspielte; in der Regel genügte die Zurschaustellung von Gleichgültigkeit.
    Sie starrte immer noch in den Spiegel, auf dieses Gesicht, das sie so gut kannte – aber die dahinter liegenden Dinge waren neu, so als ob sie soeben eine Tür geöffnet hätte und lauter Unbekanntes entdeckte.
    Die Leute in der Stadt behandelten sie mit Respekt, hörten zu, wenn sie etwas sagte, so selten das auch sein mochte. Es gab sogar eine Gruppe junger Geschäftsfrauen, die sie regelmäßig zu ihren samstäglichen Lunch-Treffen im Callahan's einlud, nicht etwa, um über Geschäfte zu reden, sondern um zu plaudern, zu lachen und zu scherzen ... aus reiner Freundschaft. Sie luden sie nicht ein, weil sie Lucindas rechte Hand war, oder weil sie ihr irgendwelche geschäftlichen Ideen unterbreiten oder sie um einen Gefallen bitten wollten – sondern weil sie sie mochten.
    Das war ihr überhaupt nicht bewußt gewesen. Roannas Lippen öffneten sich erfreut. Sie war so daran gewöhnt, sich als Lucindas Laufburschen zu sehen, daß sie sich bis jetzt noch nie als Individuum wahrgenommen hatte.
    Seit wann entwickelte sie sich eigentlich selbstständig? Das alles war ziemlich unterschwellig vor sich gegangen; ihr fiel einfach kein besonderer Anlaß oder Vorfall ein, den sie als Markstein hätte datieren können.
    Ein Gefühl tiefen Friedens breitete sich auf einmal in ihr aus, wie eine warme Flüssigkeit. Webb würde Davenport bekommen, so wie es Lucinda immer geplant hatte; aber die tiefsitzende Angst, die Roanna bei dem Gedanken, den Schutz der vertrauten Umgebung aufgeben zu müssen, überfallen hatte, begann langsam zu weichen. Freilich würde sie gehen, daran hatte sich nichts geändert; sie liebte ihn so sehr, daß sie sich selbst nicht über den Weg traute, was ihn betraf. Wenn sie hierblieb, würde sie doch bloß eines Nachts in sein Bett kriechen und sich ihm aufdrängen.
    Das wollte sie nicht. Auf diese Weise wollte sie ihn nicht in Verlegenheit bringen, und sich selbst auch nicht. Ihr neues Bewußtsein war zu wackelig, zu unerprobt, um eine weitere niederschmetternde Zurückweisung verkraften zu können.
    Sie begann sich ihre Zukunft zu überlegen. In der Gegend wollte sie schon bleiben, soviel war sicher; ihre Wurzeln befanden sich hier, seit Generationen, ja Jahrhunderten. Geld besaß sie genug mit dem Nachlaß ihrer Eltern, und sie würde in jedem Fall einen Teil von Lucindas Vermögen erben, wenn auch das meiste an Webb ging. Ihr stand alles offen; dieser Gedanke war unglaublich befreiend.
    Sie wollte Pferde züchten und trainieren.
    Wenn Lucinda starb, war die Dankesschuld einer verängstigten, von Kummer zerrissenen Siebenjährigen, die ihre Großmutter hatte sagen hören, daß sie bei ihr leben könne, beglichen. Doch sie schuldete ihr nicht nur Dank, sondern auch Liebe! Diese Schuld hatte sie an der Seite ihrer Großmutter festgehalten, hatte sie allmählich zu Lucindas Beinen, Ohren und Augen werden lassen, als deren Gesundheit nachließ. Doch wenn Lucinda von ihnen gegangen und Davenport sicher in Webbs Hände übergeben war, dann begann Roannas Freiheit.
    Freiheit. Das Wort durchrieselte sie wie warmer Sommerregen, breitete seine zarten Schmetterlingsflügel, die soeben ihrem Kokon

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