Daemmerung ueber der See
hob, bis er den Säbel sicher in der Hand hielt. Er wußte, daß er beobachtet wurde, so wie er wußte, daß Bolitho bei jedem Lichtstrahl halb blind war. Beide kannten das Geheimnis des anderen, und jeder versuchte es zu verbergen. Wie lange war das jetzt her? Es war während des trügerischen Friedens von Amiens geschehen, kaum zu glauben, daß seitdem schon acht Jahre vergangen waren. Die beiden Todfeinde hatten ihre Wunden geleckt und sich auf die nächste Runde vorbereitet. Es war ein Wunder, daß sie beide überlebt hatten. Viel zu viele bekannte Gesichter hatten es nicht. Wie weit würde sich die
Unity
vorwagen, um die freie amerikanische Schiffahrt zu »verteidigen« und die Rechte ihrer Seeleute auf hoher See? Wie Adam richtig festgestellt hatte, würde sie für sein zusammengewürfeltes Geschwader einen trefflichen Gegner abgeben.
Bolitho griff nach einem Vergrößerungsglas und sah wieder Tyacke vor sich, als er ihm die Gewässer beschrieben hatte, die er so hervorragend kannte. »Meine Empfehlung an den Kommandanten, bitten Sie ihn, nach achtern zu kommen.« Seine Stimme klang gelassen, ja gleichmütig. Nur die Tatsache, daß Allday aufhörte, den Säbel zu putzen, zeigte, daß er begriffen hatte, was passieren würde.
Auf dem krängenden Achterdeck unterbrach Kapitän Trevenen seinen ständigen Marsch und beäugte den Flaggleutnant mißtrauisch.
Avery bemühte sich, ihn nicht zu reizen. »Sir Richard möchte etwas mit Ihnen besprechen, Sir.«
»Wieder ein Anschlag auf mich, nicht wahr? Meine Trinkwasservorräte werden knapp, alle Vorräte werden knapp. Alles, was wir tun, ist Zeit verschwenden!«
Avery wußte, daß jeder Mann der Wache jedes Wort mithörte, so wie er wußte, was passieren würde, sollte er Trevenen auf diese Tatsache hinweisen.
Trevenen ging hinter dem Ersten vorbei und bellte: »Halten Sie ein Auge auf diese Faulenzer, Mr. Urquhart! Jeden, den ich erwische, bekommt Extraarbeit aufgebrummt!« Als sie vorbeigingen, sah er, daß der Mund des Leutnants einen lautlosen Fluch ausstieß. Ihre Augen trafen sich, und Avery lächelte. Offensichtlich war Urquhart doch ein Mensch.
In der Achterkabine schien Trevenens Haar die Decksbalken abzubürsten, als er an den Tisch trat. Er klang ungläubig, als wäre es eine persönliche Beleidigung, ihn auch nur zu fragen.
»Was? Diese Insel?«
Bolitho beobachtete ihn, sein Gesicht war wie eine Maske. Was war los mit Trevenen, was war der wahre Grund für sein schlechtes Benehmen?
»Diese Insel heißt San Antonio, Kapitän!«
Trevenen schien etwas erleichtert zu sein. »Da ist nichts, Sir. Eine Ansammlung unwirklicher Felsen mitten im Ozean!« Er klang fast aufsässig oder jedenfalls so nahe dran, wie er es sich traute.
»Sie kennen Commander Tyacke, glaube ich?«
»Ich habe ihn gesehen.«
Bolitho nickte langsam. »Sie haben recht. Das eine bedingt nicht automatisch das andere. Diesen hervorragenden Offizier zu kennen, ist etwas Besonderes und Wertvolles.« Wieder blickte Bolitho auf die Karte, um seinen Ärger zu verbergen. »James Tyacke ist ein ausgezeichneter Navigator und kennt diese Gewässer gut. Er hat mir gegenüber einmal San Antonio erwähnt. Ein karger Ort, unbewohnt bis auf ein kleines Kloster und in der Saison ein Fischerlager. Nur ein kleiner Mönchsorden, der sich den Regeln der Armut und Demut verschrieben hat, ist dort angesiedelt. Welcher Ort wäre besser geeignet, unsere Schiffahrt zu überwachen? Kaum ein anderer, dachte ich mir.«
Er sah in Alldays Gesicht den plötzlichen Schmerz, als er sich an den Tag in San Felipe erinnerte. Eine andere Insel, ein anderer Ozean, und sie hatten den Ort nach dem Frieden von Amiens zurückgeben müssen. Er sah, daß Allday langsam nickte, auch dort war ein Kloster gewesen und Allday hatte dort fast sein Leben verloren.
Er drehte sich zu Yovell um und sagte: »Stellen Sie sich darauf ein, einige Befehle aufzuschreiben.« Er berührte mit der Hand sein Auge, als ob ihn das Glitzern des endlosen Meeresspiegels irritieren würde.
»Die
Larne
soll zu uns aufschließen. Entzünden Sie eine Leuchtfackel, falls es nötig sein sollte, aber ich denke, daß James Tyacke auch so verstehen wird.«
»Das ist mehr, als ich tun würde, Sir.« Trevenen blickte ihn finster an. »Wenn Sie auf meine Meinung Wert legen, dann bin ich dagegen, hier noch mehr Zeit zu verschwenden.«
»Das liegt in meiner Verantwortung, Kapitän. Daran muß ich
Sie
doch nicht erinnern.«
Er hörte Trevenens schweren
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