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Daemmerung ueber der See

Daemmerung ueber der See

Titel: Daemmerung ueber der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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deutlich zu erkennen. Er kletterte um die Kreuzmars herum, aus der ihn ein paar Marines überrascht anstarrten, während sie eine Drehbrasse hinter der dicken Verschanzung bepflegten.
    Er hielt ein und sah wieder hinunter auf die gelbe Schulter der Galionsfigur, die killende Fock und die Stagsegel, die sich weiß gegen das dunkle Wasser abhoben. Er drehte sich leicht um und sah, wie sich der Rand der Sonne über den Horizont schob und goldene Strahlen in alle Richtungen sandte. Er machte das Teleskop fertig und schlang ein Bein um eine Want.
Sie sind mein Auge heute morgen.
Die Worte klangen in ihm nach.
    Einen Augenblick lang spürte er die Steifheit in seiner Schulter, die von der Wunde herrührte, die er an jenem schrecklichen Tag erhalten hatte. Er hatte sie oft mit den Fingern befühlt, sie aber nie richtig gesehen, bis er es mit Spiegeln versucht hatte. Der französische Arzt hatte sie wahrscheinlich verschlimmert, denn die Wunde hatte einen tiefen Krater in seinem Körper hinterlassen, als ob jemand etwas mit einem großen Löffel herausgehoben hätte. Es war ihm sehr unangenehm.
    Er blickte zum Großmast hinüber, wo der Ausguck brüllte: »An Deck! Schiffe in Lee voraus!«
    Unten auf dem Achterdeck schob Bolitho seine Hände unter den Rock, um seine Ungeduld zu verbergen.
    Trevenen bellte: »Was für Schiffe, Mann!«
    Dieses Mal folgte ohne Zögern: »Linienschiff, Sir! Und mehrere kleinere!«
    Trevenens Nasenflügel bebten. »Mein Schiff kann sich mit keinem Linienschiff anlegen, Sir Richard!«
    Bolitho sah ihn an und hörte den Triumph in seiner Stimme, als ob er es dem ganzen Schiff mitteilen wollte. Baratte hatte seine unbekannte Trumpfkarte bis zum heutigen Tag aufgespart. Trevenen hatte in einem Punkt recht: Keine Fregatte konnte ein Nahgefecht mit einem Linienschiff durchstehen, das dafür gebaut war, massiven Breitseiten zu widerstehen.
    Er mußte an Adam und die andere Fregatte denken, Barattes Flaggschiff, als er in Gefangenschaft geraten war. Es war vorbei, bevor es begonnen hatte.
    Er blickte sich um. An den Kanonen versuchten die Männer herauszufinden, was los war. Die scharlachroten Marines standen mit ihren Musketen an den Schutznetzen. Sogar sie würden nichts ausrichten können, wenn sich die Besatzung weigerte zu kämpfen, oder aus ihrer Sicht gesehen, für nichts zu sterben.
    Schritte erklangen auf dem Deck, und Bolitho sah, daß Avery auf ihn zukam.
    »Ich habe Sie nicht herunterbefohlen, Mr. Avery!« Etwas im Gesicht des Leutnants beruhigte ihn. »Was ist los?«
    Avery schaute kurz zu Trevenen hinüber, nahm ihn aber kaum wahr. »Es ist kein Linienschiff, Sir, es ist die USS
Unity
, genau wie sie Ihr Neffe beschrieben hat. Spiere für Spiere.«
    Er hatte Trevenens Worte beim Abstieg mitgehört, die Erleichterung in seinem Tonfall, als das helle Sonnenlicht ihm die Fluchtmöglichkeit eröffnet hatte.
    Damit war es nun vorbei. Trevenen bekam den Mund nicht mehr zu und starrte ihn an, als ob er eine Erscheinung aus der Hölle wäre.
    »Ich wollte es nicht von dort oben herunterrufen, Sir.« Er deutete auf den östlichen Horizont, der noch immer im Morgendunst lag. »Vor und hinter ihr befinden sich kleinere Schiffe. Der Bauart nach Frachter.«
    Bolitho fragte ruhig: »Also ein Geleitzug?«
    Avery sah zum Kommandanten hinüber, der zu Stein erstarrt schien.
    »Weiter im Nordosten sind andere Segel – vom Kreuzmasttopp sind sie deutlich zu sehen. Sie hatten recht, Sir, es sind Barattes Fregatten, da bin ich mir ganz sicher.«
    Bolitho klopfte ihm auf die Schulter. »Jetzt wissen wir, wie das Spiel laufen soll. Die amerikanischen Schiffe werden nichts anderes tun, als zwischen uns und unseren anderen beiden Fregatten hindurchzusegeln. Sie teilen und schwächen uns, während der Konvoi in Frieden weitersegelt.«
    Er drehte sich zu Trevenen um: »Nun, Kapitän, hier haben Sie das Schiff, dessen Existenz Sie bezweifelten: die stärkste Fregatte der Welt.«
    »Wir müssen abbrechen, Sir Richard, bevor es zu spät ist!«
    »Es war schon zu spät, als man Baratte aus der Gefangenschaft entlassen hat.« Er ging zur Seekarte hinüber und spürte, wie die Männer zurückwichen, um ihn durchzulassen. »Signal setzen: ›Angriff!‹«
    »Schon angesteckt, Sir.«
    Bolitho hörte die Flaggleine durch den Block surren, dann brachen die Flaggen in der Brise aus.
    »Signal an
Larne,
sie soll den Befehl wiederholen, wenn weder die
Anemone
noch die
Laertes
in Sicht sein sollten. Sie wissen, was sie zu tun

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