Daemmerung ueber der See
langer, langer Zeit gehört habe, alter Freund!«
Catherine hatte ihn auf die Wange geküßt und war dann über Alldays plötzliche Unsicherheit verwirrt gewesen. »Ich bin ein Mann mit vielen Sorgen«, hatte er mehrmals ausgerufen, so als ob die Freude, die jeder zeigte, seine ursprüngliche Zuversicht gemindert hätte.
Als sie zusammen im Bett lagen und durch das offene Fenster dem Rauschen der See lauschten, fragte sie leise: »Du weißt natürlich, was ihn beunruhigt, Richard?«
Er hatte genickt. »Er fürchtet, daß ich ihn am Strand zurücklasse. Oh, wie würde ich ihn vermissen, Kate! Meine Eiche. Aber wieviel Freude würde ich auch dabei empfinden, ihn endlich in Sicherheit zu wissen, damit er das neue Leben mit seiner Frau, die ich noch kennenlernen muß, genießen kann.«
Sie hatte seine Lippen mit ihren Fingern berührt. »Er wird es schon richtig machen, zur rechten Zeit.«
Dann änderte sich ihre Stimmung wieder, die Realität jener anderen Welt, von der beide wußten, daß sie immer wartete, kroch wieder näher.
Sie küßte ihn langsam. »Stell dir vor, ich würde seinen Platz einnehmen? Ich habe schon früher Seemannsklamotten getragen. Wer würde deinen neuen Bootssteurer erkennen?«
Ferguson, der eine letzte Pfeife in der lauen Nachtluft rauchte, hatte ihr vertrautes Lachen gehört. Er war froh mit ihnen gewesen und gleichzeitig traurig, weil es so nicht bleiben würde.
Von Valentine Keen waren Neuigkeiten aus Hampshire gekommen. Zenoria hatte ihm einen Sohn mit den Namen Perran Augustus geschenkt. Gemessen am Ton des Briefes platzte Keen offensichtlich vor Stolz und Freude. Ein Sohn: in seinen Augen schon ein zukünftiger Admiral.
Bolitho hatte sich seine Gedanken über den Namen Perran gemacht. Es war ein sehr alter Name aus Cornwall. Zenoria mußte darauf bestanden haben, vielleicht um sich gegen Keens übermächtige Familie zu behaupten.
Catherine hatte schlicht festgestellt: »Ihr Vater hieß so.«
Ihre Stimmung war nicht fröhlicher geworden, und Bolitho vermutete, daß das an der schlimmen Vergangenheit lag. Zenorias Vater war für ein Verbrechen gehängt worden, das in die Zeit fiel, als er für die Rechte der Landarbeiter gekämpft hatte. Zenorias Beteiligung hatte indirekt zu ihrer Deportation geführt. Keen hatte sie gerettet und ihren Namen wieder reingewaschen. Bolitho fragte sich, ob es wahre Liebe oder eher Dankbarkeit war, die ihnen den Sohn beschert hatte.
Dann, am Ende der zweiten Woche, kam der Bote der Admiralität zum alten grauen Haus unterhalb von Pendennis Castle geritten. Die Befehle, die sie beide erwartet hatten, wurden in dem üblichen, aufwendig versiegelten Umschlag übergeben.
Bolitho saß neben dem leeren Kamin im großen Raum, wo er die ersten Geschichten über die See und ferne Länder von seinem Vater und Großvater gehört hatte. Es war schwer, sie in diesem Haus auseinanderzuhalten, wo das Leben so vieler seiner Vorfahren begonnen hatte. Jedes einzelne Porträt an der Wand kündete davon. Nur wenige waren hierher zurückgekehrt. Er wog den Umschlag in seiner Hand. Wie oft hatte er das schon gemacht, fragt er sich.
Nach Erhalt dieser Befehle… werden Sie sich unverzüglich begeben …
Auf ein Schiff, zu einem Flottenverband, in einen unbekannten Teil des expandierenden Reiches Seiner Majestät, falls es befohlen wurde, bis vor den tödlichen Schlund der Kanonen.
Er hörte, daß Fergusons Frau mit dem Kurier sprach. Gesättigt und vom hausgemachten Cider leicht beschwingt, würde er das Haus später verlassen. Bolithos Empfangsbestätigung würde nach London gelangen, von Schreiber zu Schreiber wandern und schließlich unter den Augen der Admiralität landen, die wenig wußte und sich noch weniger um die zahllosen Schiffe und Männer scherte, die für König und Vaterland umkamen. Der kratzende Federstrich eines der Sesselpuper bei der Admiralität schickte Männer in den Tod oder machte aus ihnen verkrüppelte Wracks wie den unverwüstlichen James Tyacke. Jetzt knüppelte Tyacke, den die von ihm gejagten Sklavenhändler den »Teufel mit dem halben Gesicht« nannten, sich und sein Schiff. Die Schreiberlinge auf der Admiralität würden sich beim Anblick seiner schrecklichen Entstellung entsetzt abwenden, denn sie sahen nicht den Stolz und den Mut, der dem Mann zueigen war. Sein Stigma trug er wie ein Talisman.
Er spürte, daß Catherine hereingekommen war. Als er sie ansah, bemerkte er, daß sie sehr gefaßt war.
Er schlitzte den Umschlag auf und
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