Daemmerung ueber der See
verlassen zu müssen, hatte sie ihn in der Dunkelheit angesehen, ihr langes Haar hing lose auf ihre nackten Schultern herab.
»Ich liebe dich, Richard, mehr als mein Leben, denn ohne dich gibt es kein Leben. Aber nach allem, was wir auf der
Golden Plover
erduldet haben, werden wir immer zusammen sein. Wo immer du bist, werde ich bei dir sein, und wenn du mich brauchst, werde ich deine Stimme hören.« Und sie hatte sein Gesicht in ihre Hände genommen.
Es war in der Abenddämmerung, als sie schließlich an der Themse ankamen, nicht weit entfernt von der Taverne, wo sich Bolitho heimlich mit Herrick vor dessen Kriegsgerichtsverhandlung getroffen hatte, um ihn zu fragen, ob er ihn verteidigen solle. Herricks Weigerung hatte ihn wie ein Schlag ins Gesicht getroffen. Das war vor einem Jahr gewesen, aber es schien ewig her zu sein. Sie querten die große Brücke, unter der das schwarze Wasser schimmerte. Im Hafen von London lagen die vermurten Schiffe wie Schatten, die Rahen waren sauber getrimmt, die Segel eng aufgetucht. Vielleicht warteten sie auf die nächste Tide, mit der sie den Hafen verlassen und ihre Schwingen für das offene Meer oder vielleicht sogar die endlosen Ozeane dahinter entfalten konnten. Sie waren die Garanten des Handels, gleichermaßen beneidet und gehaßt von den anderen Nationen. Die Marine war bis zum Äußersten belastet und konnte kaum die Blockade der feindlichen Häfen aufrechterhalten und die lebenswichtigen Konvois schützen, aber jeder Kapitän auf jedem der schlafenden Schiffe würde ihre Hilfe erwarten – und das war ihr gutes Recht.
Nur wenige Lichter glühten am Ufer, es waren Fährboote, die ihre Dienste die ganze Nacht für die jungen Männer und ihre Mädchen anboten, die sich amüsieren wollten.
Schließlich verlief die Straße dichter am Fluß, und die Pferde trotteten in eine baumbestandene Allee, die Cheyne Walk genannt wurde.
Bolitho kletterte heraus. Er war steif von den vielen, hinter ihm liegenden Meilen und froh, daß es diesmal keine neugierigen Zuschauer gab. Ihr hohes, schmales Haus mit den eisernen Balkonen und dem Zimmer mit dem Blick auf den Fluß war ihre zweite Zufluchtsstätte geworden. Hier kümmerten sich die Leute um ihre eigenen Angelegenheiten und waren nicht erstaunt über jemanden, der solch einen Besitz sein eigen nannte. General oder Bettler, Künstler oder Mätresse, alle hatten hier ihren Platz.
Sophie, Catherines Zofe, die zur Hälfte von Spaniern abstammte, war am Tag vorher vorausgeschickt geworden, um die Wohnung und die Haushälterin vorzubereiten.
Allday half Catherine aus der Kutsche und meinte leise: »Machen Sie sich keine Gedanken um mich, M'lady, ich überlege mir alles gut.«
Sie lächelte ihn an. »Das habe ich nie bezweifelt.«
Bolitho berührte seinen Arm. »Streich die Flagge, alter Freund, die Schlacht ist schon verloren!«
Später standen sie auf dem kleinen eisernen Balkon und sahen zu, wie die Nacht über die Stadt hereinbrach. Die Glastüren waren weit geöffnet. Die Luft, die vom Fluß herüberwehte, war angenehm kühl, aber die Haushälterin hatte in bester Absicht alle Feuerstellen geheizt, um die Feuchtigkeit aus den unbewohnten Zimmern zu vertreiben. Catherine erschauderte, als er einen Arm um sie legte und ihre nackte Schulter küßte. Sie beobachteten zwei taumelnde Soldaten, wahrscheinlich Offiziere aus der Kaserne, die unsicher ihrem Quartier zustrebten. Ein Blumenmädchen ging mit einem großen leeren Korb auf der Schulter vorbei. Wahrscheinlich mußte sie lange vor Sonnenaufgang wieder aufstehen, um ihre Ware zu pflücken.
Leise flüsterte Catherine: »Ich wünschte, wir wären zu Hause.«
Sie sprach mit derselben festen Stimme wie an dem schrecklichen Tag, an dem sie die
Golden Plover
aufgeben mußten.
Verlaß mich nicht.
Erstaunlicherweise hatte sie fest daran geglaubt, daß sie die Heimat wiedersehen würden.
»Bald, Kate.«
Sie gingen hinein, zogen sich aus und legten sich im dunklen Zimmer ins Bett. Bedrückt von den Erinnerungen und der unsicheren Zukunft lagen sie schweigend da. Einmal schien Bolitho aufzuwachen und vermeinte sie neben sich zu spüren, ihre Finger auf seiner Haut. Ihre Stimme flüsterte weich: »Verlaß mich nicht!« Aber er hatte nur geträumt.
Vizeadmiral Sir Richard Bolitho stieg aus der eleganten Kutsche, Allday hielt den Schlag auf. Wie Matthew, der Kutscher, trug der stämmige Bootssteurer seinen besten Rock. Bolitho hatte schon bemerkt, daß die Kutsche blitzsauber war,
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