DAEMON
weitergeben müssen.»
Im Boardroom von Gebäude OPS-2B saßen die Behördenleiter um einen mächtigen Mahagoni-Konferenztisch. Die Spannung war mit Händen zu greifen, und düstere Blicke gingen hin und her. Der Gastgeber eröffnete die Krisensitzung.
NSA: «Meine Herren, Sie alle wissen um den Ernst der Lage. Ich habe Vertreter der Computer Systems Corporation und der CS C-Tochter EndoCorp hinzugezogen, um in dieser Situation auf zusätzlichen technologischen Sachverstandzurückgreifen zu können. Es sind die Leute, die auch das neue Case-Management-System des FBI entwickelt haben. Sie haben alle die UMBR A-Freigabe , also können wir frei reden. Zum Teil haben Sie ja bereits in unserer Forschungsabteilung zusammengearbeitet.»
Beide Gastteilnehmer nickten knapp. Sie waren in den Vierzigern und vom Äußeren her konservativer als Schaufensterpuppen im FB I-Souvenirshop .
NSA: «Was Sie gleich sehen werden, ist eine Sache von höchster Geheimhaltungsstufe. Wenn etwas davon an die Öffentlichkeit dränge, würde das mit hoher Wahrscheinlichkeit die Weltwirtschaft ins Wanken bringen.» Er ließ seine Worte wirken. «Gruppe A hat eine Videobotschaft von Matthew Sobol dechiffriert.»
Lebhaftes Gemurmel ging durch den Raum. Er wartete, bis es sich gelegt hatte.
NSA: «Wir werden jetzt dieses Video sehen. Schauen Sie es sich aufmerksam an, wir sprechen dann hinterher darüber. Licht aus, bitte.»
Die Lampen wurden heruntergedimmt, und ein in die Wand eingelassener Plasmabildschirm ging an. Sobol erschien in H D-Qualität . Das Bild war so klar, dass es wirkte, als wäre ein Fenster in der Wand des düsteren Boardrooms geöffnet worden. Sobol stand im Freien, auf sonnigen Klippen am Meer. Er trug Khakihosen und ein gebügeltes Leinenhemd. Er wirkte normal und gesund, und der Wind zauste sein Haar.
Sobols Ausdruck war völlig neutral. Er blickte ein Weilchen stumm in die Kamera, bevor er sagte: «Man hat ein Zwanzig-Billionen-Dollar-Kartenhaus errichtet. Und dann Leuten wie Ihnen befohlen, es zu schützen. Und
mich
nennen Sie verrückt.»
Sobol ging die Klippenkante entlang. Die Kamera folgteihm in Steady-Cam-Manier. «Technologie. Der materielle Ausdruck menschlichen Willens. Es begann mit simplen Werkzeugen. Dann kam das Rad, und so geht es bis heute weiter. Zivilisationen entstehen und vergehen auf Basis technologischer Innovation. Bronze weicht dem Eisen, das Eisen weicht dem Stahl. Der Stahl weicht dem Schießpulver. Das Schießpulver weicht der Elektronik.» Sobol sah wieder in die Kamera. «Denjenigen unter Ihnen, die nicht verstehen, was gegenwärtig passiert, möchte ich erklären: Die Große Diffusion hat begonnen – eine Ära, in der die Nationalstaaten zerfallen. Und auch das bewirkt die Technologie. In dem Maße, wie Länder in der Globalwirtschaft um Märkte konkurrieren, beschleunigt sich die Verbreitung – die Diffusion – hochentwickelter Technologien. Dies wird eine Diffusion der Macht nach sich ziehen. Und die Machtdiffusion wird Nationalstaaten zu einem ineffektiven Organisationsprinzip machen. Zuerst zerfallen marginale Staaten. Größere Staaten werden nicht in der Lage sein, dies durch wirksame Investitionen aufzufangen. Die so entstehenden gesetzlosen Regionen werden zu Brutstätten des internationalen Verbrechens und Terrorismus. Bedrohungen, die sich gegen die zentralisierte Autorität richten, werden sich vervielfachen. Zentralisierte Macht wird gegen diese verteilten Bedrohungen schutzlos sein. Die ersten Anfänge dieser Entwicklung erleben Sie bereits.»
Sobol blieb stehen und blickte sehnsuchtsvoll aufs Meer hinaus. Dann wandte er sich wieder der Kamera zu.
«Mein Daemon ist nicht Ihr Feind. Und zum Glück ist er nicht zu stoppen. Von nichts und niemandem. Er ist weder gut noch böse. Er ist wie das Feuer, und er wird diejenigen verbrennen, die ihn nicht zu gebrauchen lernen. Er wird die Feinde der Vernunft verbrennen. Er wird die Heuchler und die Dummköpfe verbrennen. Benutzen Sie die Tools, die ich Ihnen gegeben habe, und der Daemon wird eine wertvolleRessource werden. Oder, wenn Sie nicht wollen, lassen Sie es bleiben. Aber bedenken Sie, dass der Daemon jetzt in der ganzen Welt fest verankert ist. Andere Kulturen werden diese Tools benutzen, auch wenn Sie es nicht tun.»
Er blickte jetzt direkt in die Kamera. «Es wird bald zu Gewalt kommen, deren Ausmaß und Brutalität Sie schockieren wird. Aber verschwenden Sie Ihre Zeit nicht darauf, sich einzumischen. Diese Gewalt
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